Anhang  


1. Titel. In einem Abschnitt, der einen Teil der römischen kanonischen Gesetze bildet, erklärt Papst Innozenz III, daß der römische Papst „der Vizeregent auf Erden ist, nicht nur eines Menschen, sondern des wahren Gottes“, und in der Erläuterung zu diesem Abschnitt wird ausgeführt, daß dies der Fall ist, weil er Christi Stellvertreter ist und dieser (Christus) tatsächlich Gott und Mensch ist.

Der Titel „Der Herr Gott, der Papst“ ist zu finden in einer Glosse zu den „Extravagantes“ des Papstes Johann XXII als der vierzehnte Titel im vierten Kapitel, welches die Überschrift „Deklaramus“ hat. In der Antwerpener Ausgabe der „Extravagantes“ vom Jahre 1584 stehen die Worte: „Dominum Deum nostrum Papam“, (unser Herr Gott der Papst) in der 153. Spalte. In der Pariser Ausgabe vom Jahre 1612 kommen sie in der 140. Zeile vor. In verschiedenen Ausgaben, die seit dem Jahre 1612 herausgegeben wurden, fehlt das Wort „Deum“ (Gott).

„Alle Namen, welche in der Schrift Christo beigelegt werden, durch welche er als Oberhaupt der Kirche bezeichnet wird, - alle diese Namen werden auch dem Papst beigelegt.“ (Bellarmine, über die Autorität der Konzilien, 2. Buch, 17. Kapitel.)

„Denn du bist der Hirte; du bist der Arzt; du bist der Leiter; du bist der Weingärtner; zuletzt, du bist ein anderer Gott auf Erden.“ (Rede an den Papst, gehalten vom Kardinal Christoph Marcellus in der vierten Sitzung des fünften lateranischen Konzils, im Jahre 1512. - Lebbe und Cossart, Konziliengeschichte, 14. Bd. 109. Sp.)

 

2. Bilderdienst. Die anfängliche Kirche hegte weder einen Haß gegen Kunst, noch begünstigte sie das Herstellen von Christusbildern. Irenäus (Adr. haer. 1, 25, 6) tadelt die Karpokrates, weil bei ihnen Bilder Christi zu finden waren. Eusebius (Kirchengesch. 7, 18) nennt den Gebrauch der Bildnisse der Apostel Paulus und Petrus sowie der Bildnisse des Heilandes einen heidnischen Gebrauch. Er sucht die Konstantia, die Witwe des Licinius davon abzubringen, ein Bild Christi zu verlangen, indem er die Frage an sie stellt, ob sie ein solches in der Kirche gesehen habe, und er empfiehlt ihr, lieber das Ebenbild Christi in der Schrift zu suchen. - Der Gebrauch und die Verehrung von Bildern verbreitete sich im Morgenland mehr und mehr. Seit Ende des vierten Jahrhunderts wurden heidnische Ideen, Sitten und Gebräuche des Gottesdienstes eingeführt und die Hypothesen des Neuplatonismus wurden theologisch bewiesen. (Haucks Realencyclopädie Bd. 3, S. 222.)

Von der frühesten Zeit an wurden Bilder anfänglich zum Schmuck, später zur Belehrung, an Begräbnisplätzen, Kirchen, Gedächtniskapellen, Häusern, an den Möbeln angebracht. Es hatte wohl Widerstand gegeben, aber im Zeitalter Konstantins hörte derselbe auf. Für den Menschen ist es eine natürliche Sache, Gegenstände und Bilder aus dem Nachlaß verehrter Persönlichkeiten dem gemeinen Gebrauch zu entziehen und sie mit tiefer Verehrung zu behandeln. Christus-, Marien- und Heiligenbilder wurden schon seit dem fünften (vierten) Jahrhundert mit Segenswünschen, Küssen und Verneigungen begrüßt, was ein Wiedereinführen alter heidnischer Gebräuche war. In der naiven und gewissen Überzeugung, daß Christen keine Gefahr mehr liefen, in Abgötterei zu fallen, duldete die Kirche nicht nur, sondern begünstigte sogar den Eintritt des Heidentums in die Kirche.

Ein lebhafter Handel wurde im siebenten und Anfang des achten Jahrhunderts mit Heiligenbildern besonders von den Mönchen betrieben. Kirchen und Kapellen waren mit Bildern und Reliquien überfüllt; der frühere Schönheitssinn wurde nicht mehr gepflegt, aber sonst wurde die Handlungsweise des heidnischen Zeitalters von neuem ins Leben gerufen. Mönchische Frömmigkeit, die in einem sinnlosen Anstarren heiliger Dinge bestand, regierte das Volk und riß das Christentum in immer größere Tiefen. (Siehe Harnack, Dogma, IV, S. 317-319.)

Der Zwist betreffs des Bilderdienstes wirft auf diesen Gegenstand viel Licht. Die siebente allgemeine Kirchenversammlung, welche im Jahre 787 zu Nizäa zusammenkam, hatte mit der Zustimmung des Papstes Hadrian I. beschlossen, daß der Beschauer den Abbildungen „seinen Gruß und seine Verehrung zu widmen habe, nicht die eigentliche Latreia, welche bloß der Gottheit zuzuwenden sei, sondern daß er ihnen, wie dem Bilde des heiligen Kreuzes, wie den heiligen Evangelium (- Büchern) und anderen heiligen Geräten Weihrauch und Lichter zu ihrer Verehrung darbringe, wie dies schon bei den Alten eine fromme Gewohnheit gewesen sei; denn die Ehre, die man dem Bilde erweist, gehe auf das Urbild über, und wer ein Bild verehre, verehre die darin dargestellte Person.“

Alle Gegner sowie auch ihre Schriften wurden mit dem Bannfluch belegt. Im Jahre 794 jedoch rief Kaiser Karl der Große zu Frankfurt eine fränkische Synode zusammen; der Papst war gezwungen, nachzugeben, und das schließliche Ergebnis war das folgende: „Alle anwesenden Bischöfe verweigerten den Bildern alle Adoratio (Anbetung) und allen Servitus (Dienst) und verwarfen (jene Synode) einmütig.“ (Hefele, Konziliengeschichte 111, 441–482, 689; Kardinal Hergenröther, Kirchengeschichte, 1, 541; Hauck, Kirchengeschichte, 11, 3 42.)

 

 

3. Konstantins Sonntagsgesetz. Konstantins Sonntagsgesetz, aufgestellt im Jahre 321 n. Chr., lautet wie folgt:

„ Es sollen alle Richter und Stadtleute, und der Betrieb aller Handwerke am ehrwürdigen Tage der Sonne ruhen; diejenigen aber, welche auf dem Lande wohnen, dürfen ungehindert und mit voller Freiheit ihren landwirtschaftlichen Pflichten nachgehen; denn es trägt sich oft zu, daß kein anderer Tag so geeignet ist zum Säen von Samen und Pflanzen von Reben; auf daß man nicht durch Versäumung des günstigen Augenblicks, der vom Himmel verliehenen Segnungen verlustig gehe.“

Eine so hohe Autorität wie das <Encyclopedia Brittannica> sagt betreffs dieses Gesetzes: „Konstantin der Große machte das erste Sonntagsgesetz zur besseren Beobachtung dieses Tages und, wie Eusebius berichtet, war er es, der bestimmte, daß der Sonntag über das ganze Römische Reich hin regelmäßig beobachtet werden sollte. Vor ihm, und sogar zu seiner Zeit, hielt man den jüdischen Sabbat, eben sowohl wie den Sonntag.“ Was den Grad der Feierlichkeit anbelangt, mit welchem der Sonntag begangen wurde, so sagt Mosheim, daß infolge des von Konstantin eingeführten Sonntagsgesetzes der erste Wochentag „heiliger, als vorher“ gefeiert wurde. (Kirchengesch., 4. Jahrh., 4. Hauptst. § 5.) Doch Konstantin ließ zu, daß allerlei landwirtschaftliche Arbeiten am Sonntag verrichtet würden! Bischof Taylor macht die Aussage, daß „die ersten Christen allerlei Arbeit am [Sonntag] Tag des Herr verrichteten.“ (Duct. Dubitant. 1. Teil, 2. Buch, 2. Kap., 6. Regel, Abschn. 59.) Morer macht die nämliche Aussage: „Der Tag [Sonntag] wurde nicht gänzlich durch Enthaltung von weltlichen Geschäften beobachtet; auch ruhten sie [die Christen] nicht länger von ihren gewöhnlichen Angelegenheiten (derart waren die Erfordernisse jener Zeit), als während des Gottesdienstes.“ (Dialogues on the Lord’s Day, S. 233.) Cox sagt: „Es liegt kein Beweis vor, daß weder zu dieser [der Zeit Konstantins], noch zu einer weit späteren Zeitperiode, die Beobachtung je betrachtet wurde, als ob sie irgendwelche Verpflichtungen dafür dem vierten Gebot entlehne; sie scheint als eine nach ihrer Beschaffenheit mit Weihnachten, Karfreitag und anderen Kirchenfesten übereinstimmende Einrichtung betrachtet worden zu sein.“ (Cox’s Sabbath Laws, S. 28 1.)

 

 

4. Offenbarung 12 und 13. Im zwölften Kapitel der Offenbarung haben wir das Symbol eines großen roten Drachens. Im neunten Vers jenes Kapitels wird uns dasselbe wie folgt erklärt: „Und es ward ausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt der Teufel, und Satanas, der die ganze Welt verführet und ward geworfen auf die Erde, und seine Engel wurden auch dahin geworfen.“ Unzweifelhaft stellt der Drache in erster Linie Satan vor. Aber Satan wirkt vornehmlich durch Werkzeuge auf Erden. In Gestalt gottloser Menschen suchte er Jesum zu verderben, sobald er geboren war. Wo auch immer Satan imstande war eine Regierung so völlig zu beherrschen, daß sie seine Anschläge in Ausführung brachte, da wurde diese Nation für die betreffende Zeit Satans Stellvertreter. Dies war der Fall mit allen großen heidnischen Reichen. Man siehe z. B. Hesekiel. 28, wo Satan als der eigentliche König zu Tyrus dargestellt wird. Dies geschah, weil er jene Regierung völlig beherrschte. In den ersten Jahrhunderten des christlichen Zeitalters war vor allen heidnischen Nationen Rom das Hauptwerkzeug Satans, dem Evangelium hindernd entgegenzutreten, und wurde deshalb durch einen Drachen dargestellt.

Es kam jedoch eine Zeit, in welcher das Heidentum vor der Macht des Christentums im Römischen Reiche fallen mußte. Dann hatte das Heidentum dem Papsttum Platz gemacht. Der Drache hatte dem Tier „seine Kraft, und seinen Stuhl, und große Macht“ gegeben. Das will sagen, Satan fing dann an durch das Papsttum zu wirken, gerade wie er ehedem durch das Heidentum gewirkt hatte. Aber das Papsttum wird nicht durch den Drachen dargestellt, weil es notwendig ist, ein weiteres Symbol einzuführen, um eine andere Macht, welche diesen Widerstand gegen Gott aufnimmt, darzustellen. Vor dem Emporkommen des Papsttums war aller Widerstand gegen das Gesetz Gottes in Gestalt des Heidentums gemacht worden - man hatte Gott offen Trotz geboten; doch von jener Zeit an wurde der Widerstand unter dem Deckmantel bekenntlicher Anhänglichkeit zu ihm weitergeführt. Das Papsttum war jedoch nicht weniger wie das heidnische Rom das Werkzeug Satans; denn alle Kraft, der Sitz und die große Macht des Papsttums wurden ihm von dem Drachen gegeben. Und so, wenngleich der Papst behauptet, der Statthalter Christi zu sein, so ist er dennoch in Wirklichkeit des großen Drachen Statthalter - der Antichrist.

Das Tier, welches ein Symbol des Papsttums ist, wird in Offb. 13 vorgeführt, und ihm folgt, in derselben prophetischen Kette, „ein anderes Tier,“ welches gesehen wird „aufsteigen,“ (Offb. 13, 11 - 14) und tut „alle Macht des ersten Tiers vor ihm,“ d. h. vor seinen Augen. Es muß dieses andere Tier deshalb ebenfalls eine Verfolgungsmacht sein; und dies wird angedeutet durch die Worte: „und redete wie ein Drache.“ Das Papsttum erhielt alle seine Macht von Satan, und das zweihörnige Tier übt die nämliche Macht aus; es wird gleichfalls das unmittelbare Werkzeug Satans. Und sein satanischer Charakter wird uns weiter gezeigt, dadurch, daß es vermittelst falscher Wunder die Anbetung des Bildes des Tieres zu erzwingen sucht. Und tut große Zeichen, daß es auch macht Feuer vom Himmel fallen, vor den Menschen, und verführet die auf Erden wohnen, um der Zeichen willen, die ihm gegeben sind zu tun.“

Die erste verfolgende Macht wird durch Satan selbst dargestellt; im Heidentum fand sich eine offene Verbindung mit Satan und offene Trotzbietung gegen Gott vor. In der zweiten Verfolgungsmacht verstellt sich der Drache; doch der Geist Satans treibt ihn an - der Drache stellt die Antriebskraft. Der dritten verfolgenden Macht mangeln alle Spuren des Drachens, und ein lammähnliches Tier erscheint; doch wenn es redet gibt seine Drachenstimme die satanische Macht, welche unter einem unschuldigen Äußeren verborgen ist, zu erkennen und zeigt, daß es von derselben Familie ist wie die zwei vorhergegangenen Mächte. In allem Christo und seiner lauteren Religion entgegengebrachten Widerstand ist „der große Drache, die alte Schlange, die da heißt der Teufel und Satanas“ - „der Gott dieser Welt“ - die Triebkraft; irdische Verfolgungsmächte sind einfach Werkzeuge in seinen Händen.

 

 

5. Gefälschte Schriften. Unter den Urkunden, die gegenwärtig allgemein als Fälschungen angesehen werden, sind die sogenannte Schenkung Konstantins und die Pseudo-Isidorischen Dekretalen von der größten Wichtigkeit.

Die Schenkung Konstantins wurde nach Dr. Döllinger zwischen den Jahren 752 und 777 zu Rom verfertigt (Papstfabeln, S. 118). In seiner Kirchengeschichte nimmt der Bischof H. Brück an, daß sie im 9. Jahrhundert in Frankreich entstanden sind und führt an, daß sie bis zum 12. Jahrhundert nur wenig Glauben fanden. Er behauptet, daß zu jener Zeit weder Freunde noch Gegner des Papsttums an ihrer Echtheit zweifelten, aber daß gegenwärtig ihre Fälschung allgemein zugestanden wird. (Brück, Kirchengeschichte, S. 275).

Über die Dekretalen schreibt Döllinger: „Nun aber ereignete sich in der Mitte dieses Jahrhunderts (um 845) die großartige Erdichtung der Isidorischen Dekretalen, deren Wirkung weit über die Absichten der Urheber hinausreichte, und, wenn auch langsam, allmählich eine vollständige Umwandlung der kirchlichen Verfassung und Verwaltung herbeiführte.“ „Etwa hundert angebliche Dekretalen der ältesten Päpste, zugleich mit einigen Schreiben anderer Kirchenhäupter und Akten einiger Synoden, wurden damals im westfränkischen Gebiet erdichtet, wurden begierig sofort in Rom von dem Papst Nikolaus 1. (858-867) ergriffen und als echte Dokumente den neuen, von ihm und seinen Nachfolgern erhobenen Ansprüchen zugrunde gelegt.“ (Döllinger, Papsttum, S. 36, München 1892. Siehe auch Mosheim, Kirchengeschichte, 3. Buch, 9. Jahrh., 2. Teil, 2. Kap., 8. Abschn.; Gosselin, Pouvoir du Pape au Moyen Age, Bd. 1; Mosheim, Kirchengeschichte, Bd. 3, 9. Jahrh., 2. Teil, 2. Kap. 8. Abschn.)

 

 

6. Vorschriften Hildebrands. Die sogenannten „Dictatus“ des Papstes Hildebrand (Gregor VII.) oder die Erfindungen der Gregorianischen Partei, auf welche dieser Papst seine stolzen Anmaßungen gründete, werden in Döllingers Papsttum, S. 40-55, behandelt. (Siehe ferner Migue, Patroligae, tom. 148, 407; Baronius, Annual. Eccl, An. 1076, Antwerpen, 1608, XI, 479; Gieseler, Lehrb. der Kirchengeschichte, Bd. 3, 3. Periode, 47. Abschn., Anm. 4; Mosheim, Kirchengeschichte, 3. Buch, 11. Jahrh., 2. Teil, 2. Kap. 9. Abschn.)

 

 

7. Fegefeuer. Die römische Kirche lehrt, daß es ein Reinigungsfeuer (Fegefeuer) gibt, in welchem die Seelen der Frommen, nachdem sie eine bestimmte Zeit darin gepeinigt worden sind, gereinigt werden. Es wird behauptet, daß die Schmerzen des Fegefeuers besonders groß sind, und daß es selten einen Erwachsenen gibt, der so rein ist, daß er direkt in den Himmel gehen kann, ohne durch das Fegefeuer geläutert werden zu müssen. Deshalb wird aufgefordert, daß man mit den Verstorbenen Mitleid haben und ihre Lage erleichtern solle. Dies geschieht „durch Gebete, Oblationen, das Meßopfer, Fasten, Almosen und andere fromme Werke, …wodurch die im Fegefeuer auszuhaltende Strafe nachgelassen wird.“ (Hefele, Konziliengeschichte, IX, 888. Siehe auch Stolz, Kat. 111, 354; Catholic Encyclopedia, Art. „Purgatory“; Hagenbach, Lehrbuch der Dogmengeschichte, Bd. I, S. 231-237, 405, 408; Bd. VI, S. 135-150, 308-309; Zellers Theol. Wörterbuch, Art. „Fegefeuer“.)

 

 

8. Ablaß. Die römische Kirche lehrt, daß der Ablaß eine gänzliche oder teilweise Erlassung jener zeitlichen Strafen ist, welche wir hier oder im Fegefeuer büßen müssen, nachdem die Sündenschuld und die ewige Strafe der Sünde durch die überfließenden Verdienste Christi und der Heiligen vergeben worden ist. (Siehe Gibbons, Glaube unsrer Väter, 27. Kap.) Das Konzil zu Trient selbst befürwortete die Abschaffung der vielen Mißbräuche, die bei dem Gewähren des Ablasses vorkamen. Man faßte deshalb den Beschluß, daß „aller schändliche Handel“ damit aufhören solle. - 25. Sitzung des Konzils zu Trient - (Siehe Ullmann, Reformatoren vor der Reformation, Bd. 1, 2. Buch, 1. Teil, 2. Kap.; Ranke, Zeitalter der Reformation, 2. Buch, 1. Kap., Par. 131-132. 153-155; Lea, Hist. of Auricular Confession and Indulgences; Zellecs Theol. Handwörterbuch, Art. Ablaß.)

 

 

9. Die Messe. Der katholischen Lehre gemäß ist die Messe „die nie versiegende Quelle“, aus welcher alle Gnaden strömen, deren man in der katholischen Kirche teilhaftig werden kann. Möhler erklärt in seiner „Katholischen Symbolik“, daß das Opfer Christi am Kreuz nur ein Teil des großen Versöhnungswerkes war; was daran noch fehlte, wird durch das Meßopfer erfüllt, welches von jedem des Amtes waltenden Priester sowohl für seine eigenen als auch für aller Anwesenden Sünde geopfert wird, sowie für die Sünden aller Christen, die gelebt haben, der lebendigen wie der toten. (Siehe Konzil zu Trient, 22. Sitzung; Catholic Encyclopedia, Art. Eucharist; Hauck, Realencycl. XII, Art. Messe; Hagenbach, Lehrb. der Dogmen, Bd. I, S. 214-223. 393-398; Bd. II, S 88-114; Zellers Theol. Wörterbuch, Art. Messe.)

 

 

10. Waldensische Bibelübersetzungen. Über frühe romanische Bibelübersetzungen siehe die Abhandlung von E. Reuß in Haucks Realencycl. 111, 125-145; Meyer, Romania, 1895; E. Petavel, Die Bibel in Frankreich, 2. Kap. Abschn. 3. 4. 8-10. 13. 21, (Paris 1864).

 

 

11. Erlasse gegen die Waldenser. Papst Lucian 111. (1183) veröffentlichte in der Gegenwart Friedrich Barbarossas und mit dessen Unterstützung den ersten Erlaß; hierauf folgten päpstliche, kaiserliche und königliche Erlasse in den Jahren 1192, 1220, 1229, 1236, 1243, 1253, 1332, 1380, 1400, 1487, 1532. (Siehe Hahn, Geschichte der Waldenser, S. 703-753; Döllinger, Dokumente der Valdesier; Hefele, Konziliengeschichte, V, 725, 914, 979 f., 992; Hauck, Realencycl. Art. Waldenser; Andrews-Conradi, Geschichte des Sabbats, S. 551-559.)

 

 

12. Wiklif. Über die Einzelheiten der von Papst Gregor XI. erlassenen Bullen siehe Hefele, Konziliengeschichte VI, 948; Lechler, Johannes von Wiklif und die Vorgeschichte der Reformation; Neander, Kirchengeschichte, 6. Periode, 2. Abschn., 1. Teil, 8. Par.

 

 

13. Unfehlbarkeit. Siehe Hettinger, Kath. Fundamentaltheologie, 11, 686-750; Hauck, Realencycl. XX, Art. Vatikanisches Konzil; Kardinal Gibbons, Glaube unserer Väter, 7. Kap.; Hase, Polemik, S. 155-201.

 

 

14. Konzil zu Konstanz. Das Konzil wurde auf fortwährendes Drängen Sigismunds einberufen. (Siehe Palacky, Geschichte Böhmens, VI, 310; Mosheim, Kirchengesch., 3. Buch, 15. Jahr., Abschn.; Hauck, Realencycl., B. 31, Art. Konstanz.)

 

 

15. Sigismunds Geleitbrief. Der Kaiser gewährte Hus das Versprechen eines sicheren Geleites. Trotz dem Widerstand des Papstes und dem Einspruch des Ritters Chlum und dem schriftlichen Proteste des Kaisers wurde Hus dennoch am 6. Dezember ins Gefängnis geworfen. Als der Kaiser am 24. Dezember ankam, hatte er deswegen sogleich mit den Kardinälen mehrere aufgeregte Besprechungen; er drohte sogar das Konzil zu verlassen. Die Kardinäle auf der anderen Seite drohten hingegen mit einer Auflösung des Konzils. (Palacky, Geschichte Böhmens, VI, 327-330; Hefele, Konziliengesch. VII, 76; Oncken, Weltgesch. 11, 2. S - 377.) Da Hus in den Augen des Kaisers von zu geringer Bedeutung war, um seine Hoffnung auf eine Reformation der Kirche, die er sich von diesem Konzil versprach, durch ihn verwirklicht sehen zu können, so beruhigte er sich mit der so vielfach vertretenen Ansicht, daß nach menschlichem und auch göttlichem Recht kein Versprechen gültig sein könne, welches zum Nachteil der Kirche gereichen würde, und daß er deshalb unter keiner Verpflichtung sein könne, einem „Ketzer“ gegenüber sein Wort halten zu müssen. (Von der Hardt, IV, 521 f.) Im Einklang hiermit faßte das Konzil bei seiner 19. Sitzung am 23. Sept. 1415 denselben Entschluß. Ranke sagt, daß dies ein eitler Versuch gewesen sei, den König von der Beschuldigung des Wortbruchs zu befreien. Sigismund war sich dessen auch wohl bewußt; er wollte sein Versprechen halten, aber es wurde ihm nicht zugestanden. (Ranke, Weltgesch. IX, 186.) Was aber den böhmischen Adel am meisten verdroß, war, daß Sigismund selbst gegen Hus Anklage erhob. Es kostete ihn die Krone Böhmens.

 

 

16. Fanatismus. In den Tagen der Reformation gab es viele in Europa, deren Herzen dem Worte Gottes zugetan waren, welche aber den deutschen Reformatoren nicht nachfolgten. Manche dieser Männer waren ernste Gelehrte und von einigen derselben rühren Übersetzungen von Teilen der Heiligen Schrift her, deren Vorzüglichkeit von Luther anerkannt wurde. Es gab solche unter ihnen, die mit Luther in manchen Punkten nicht übereinstimmten, z. B. in bezug auf die Kindertaufe. Sie hielten nämlich dafür, daß nur getaufte Gläubige Mitglieder der Kirche Christi sein könnten. Manchmal kam es über streitige Punkte zu heftigen Auseinandersetzungen.

Es fanden sich auch Leute mit überspannten und schwärmerischen Ansichten, die sich vom blinden Eifer zu Ausschreitungen, zu grundlosen Schlüssen und zum Fanatismus hinreißen ließen. Manche befähigte Männer hatten mit diesen Leuten ohne Zweifel gewisses Mitgefühl bewiesen, weil Luther und seine Genossen gegen sie eine so strenge und unerbittliche Stellung einnahmen; wäre es jedoch diesen Enthusiasten gelungen, die Oberhand zu gewinnen, so würde ihre Lehre die Reformation zugrunde gerichtet haben. Diese Uneinigkeiten und Streitereien, diese Bezeigungen eines unverständigen menschlichen Eifers, diese Feindseligkeiten, diese Unduldsamkeit und dieses Schwärmertum haben sich bei jeder Reformbewegung seit den Tagen der Apostel offenbart. Es sind dies die Anstrengungen Satans, um das Evangelium Gottes durch menschliche Schwachheit und Mängel in ein falsches Licht zu stellen und ihm Hindernisse in den Weg zu legen. Aber jeder aufrichtige Mensch wird ohne Schwierigkeit zwischen dem Wahren und dem Falschen unterscheiden können, wenn er auf die Grundsätze achtet, die sich dabei offenbaren, und auf die Früchte, die dabei getragen werden.

 

 

17. Jesuitenorden. Ein Bericht über den Ursprung, die Grundsätze und die Absichten der „Gesellschaft Jesu“, wie Glieder dieser Vereinigung ihn abgegeben haben, findet sich in einem Werk von John Gerard, S. J., herausgegeben in London 1902. In diesem Werk heißt es S. 6: „Die Hauptursache dieser Organisation ist ein Geist des vollkommenen Gehorsams. ’Möchte doch jeder’, schreibt St. Ignatius, ’sich klar machen, daß alle, die im Gehorsam wandeln, sich leiten lassen sollen von der göttlichen Vorsehung durch ihre Vorgesetzten, geradeso als ob sie selbst ein Leichnam wären, den man überall hintragen und mit dem man tun kann, was man will, oder wie eines alten Mannes Stab, der jedem, der ihn in der Hand hält, dient wie der Betreffende es will.’

„Diese vollständige Unterwerfung wird durch den Beweggrund veredelt und sollte - fährt der Grundtext fort - pünktlich, freudig und ausdauernd sein. ... Der religiöse Gehorsam führt alles freudig aus, was seine Vorgesetzten von ihm zum allgemeinen Besten verlangen, und weiß gewiß, daß es mit dem göttlichen Willen übereinstimmt.“ (Siehe auch L. E. DuPin, L’Histoire de l’Eglise, 16. Jahrh., 33. Kap.; Mosheim, Kirchengesch., 16. Jahrh., 3. Abteil., 1. Teil, 1. Kap., 10. Par.; Encyclop. Britannica, 9. Ausg., Art. „Jesuits“; C. Paroissien, Grundsätze der Jesuiten, dargestellt durch ausgewählte Schriften ihrer eigenen Schriftsteller, London, 1860.)

 

 

18. Inquisition. Siehe Catholic Encycl., Art. Inquisition (von J. Blötzer, Jesuit, München); H. C. Lea, History of the Inquisition in the Middle Ages; Limborch, Historia Inquisitionis, 1. Bd., 1. Buch, Kap. 25. 27-31; L. v. Ranke, Die römischen Päpste, 2. Buch, 6. Kap.

 

 

19. Protestantische Verfolgungen. Kein Bibelprotestant kann unduldsam oder verfolgungssüchtig gegen solche sein, die mit ihm in religiösen Fragen nicht übereinstimmen; weil dieses nicht mit der Lehre dessen übereinstimmen würde, der da sagte: „Des Menschen Sohn ist nicht gekommen, der Menschen Seelen zu verderben, sondern zu erhalten“ (Luk. 9, 56); „und wer meine Worte hört und glaubt nicht, den werde ich nicht richten; denn ich bin nicht gekommen, daß ich die Welt richte, sondern daß ich die Welt selig mache“ (Joh. 12, 47). Und durch seine Apostel gab er diese Lehre: „Gleichwie er ist, so sind auch wir in dieser Welt“ (l. Joh. 4, 17); „nicht, daß wir Herren seien über euren Glauben, sondern wir sind Gehilfen eurer Freude; denn ihr steht im Glauben“ (2. Kor. 1, 24); „darum richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr komme“ (l. Kor. 4, 5); „dieweil wir denn wissen, daß der Herr zu fürchten ist, fahren wir schön mit den Leuten“ (2. Kor. 5, 11). Die Reformatoren erkannten den großen Grundsatz der Rechtfertigung durch den Glauben und den hohen Wert des Wortes; aber sie begriffen nicht, wie weit sich diese Grundsätze erstreckten, die sie von menschlichen Glaubenspunkten und der wesentlichen Vereinigung mit menschlicher Amtsgewalt geschieden hätte.

Menschliche Glaubenssätze ersticken das Wort Gottes, und eine Vereinigung von Religion und Staat setzt einen Menschen an Gottes Stelle. Eine solche Verbindung der Religion mit der staatlichen Macht hat im Evangeliumsplan jedoch keinen Platz und kein Anrecht. Wird ihr aber eine Stelle eingeräumt, wie dies mancherseits in den ersten Anfängen der Reformation des sechzehnten Jahrhunderts getan wurde, so folgen Unduldsamkeit gegen Andersdenkende und deren Verfolgung auf dem Fuße.

Männer von starker Willenskraft, die von der Richtigkeit ihres Glaubens überzeugt sind, und die dem Staate das Recht zugestehen, den rechten Glauben aufrechtzuerhalten, werden in Verfolgung dieses verkehrten Grundsatzes zu Verfolgern. Die wahren Grundsätze des Protestantismus, wenn recht verstanden, lassen sich mit der Aufstellung von Glaubensformeln und mit einer Verbindung mit der bürgerlichen Gewalt nicht vereinbaren; infolgedessen haben Protestanten im allgemeinen nicht nur über päpstliche, sondern auch über protestantische Verfolgungen ein Verdammungsurteil ausgesprochen. Wahre Protestanten rechtfertigen weder das Verfahren des Johann Kalvin gegen Servetus; noch heißen sie die Handlungsweise des protestantischen Englands gegen Römisch Katholische, gegen Puritaner und gegen Baptisten gut; noch billigen sie die Unduldsamkeit der Puritaner in Amerika gegen Andersgläubige. Das Evangeliumsprinzip, das Jesus Christus verkündigt hatte, faßte von neuem Wurzel in der Kolonie, die in Rhode Island von Roger Williams gegründet wurde. Derselbe Grundsatz wurde dann auch von anderen religiösen Gemeinschaften angenommen und befolgt. Hierin liegt der Unterschied zwischen dem römischen Katholizismus und dem Protestantismus: der römische Katholizismus verteidigt seine Verfolgungen, weil er an dem falschen Grundsatz, der eine Verbindung von Kirche und Staat befürwortet, festhält; wahrer Protestantismus hingegen bedauert die Befolgung dieses Grundsatzes in der Vergangenheit und verweigert ihm irgendwelche Anerkennung in der Gegenwart.

 

 

20. Ursachen der Französischen Revolution. Über die weitreichenden Folgen der Verwerfung der Bibel und der biblischen Religion durch die Franzosen siehe H. von Sybel, Geschichte der Revolutionszeit, 5. Buch, 1. Kap., Abschn. 3-7; H. T. Buckle, History of Civilization in England, 8. 12. Kap (N. Y.-Ausg., 1895, 1. Bd., S. 364-366. 369-371. 537. 540. 541. 550); J. G. Lorimer, An Historical Sketch of the Protestant Church of France, 8. Kap., 6. 7. Abschn.

 

 

21. Anstrengungen, die Bibel zu unterdrücken und zu vernichten. Über die fortgesetzten Anstrengungen, die man in Frankreich unternahm, die Bibel, besonders die Übersetzung in der Volkssprache, zu unterdrücken, sagt Gaußen: „Der Erlaß von Toulouse 1229, wodurch der Inquisitionsgerichtshof für alle Leser der Bibel in der Volkssprache eingerichtet wurde,... war ein Edikt des Feuers, des Blutvergießens und der Verwüstung. In seinem 3., 4., 5. und 6. Kapitel wurde befohlen, die völlige Vernichtung der Häuser, der einfachsten Verbergungsstätten und selbst der unterirdischen Verliese solcher, die die Heilige Schrift besaßen; daß sie in den Wäldern und Höhlen der Erde verfolgt werden sollten; und daß selbst solche, die ihnen Unterschlupf gewährten, schwer bestraft werden sollten.“ Als Folge davon war die Bibel „überall verboten; sie verschwand sozusagen unter der Erde und stieg ins Grab.“ Diesem Befehle folgte „eine fünfjährige unbeschreibliche Verfolgung, während der das Blut der Heiligen wie Wasser vergossen wurde.“ (L. Gaußen, The Canon of the Holy Scriptures, 2. Teil, 2. Buch, 7. Kap., Abt. 5; Kap. 13, Abt. 2, Abschn. 2.)

Über die besonderen Anstrengungen, die während der Schreckensherrschaft im Jahre 1793 gemacht wurden, um die Bibel zu vernichten, sagt Dr. Lorimer: „Wo sich eine Bibel fand, kann man sagen, wurde sie bis in den Tod verfolgt, und zwar so sehr, daß verschiedene angesehene Ausleger der Schrift das Töten der beiden Zeugen im 11. Kapitel der Offenbarung auf den allgemeinen Druck sowie auf die Vernichtung des Alten und Neuen Testaments in Frankreich zu dieser Zeit beziehen.“ (J. G. Lorimer, An Historical Sketch of the Protestant Church of France, Kap. 8, Abschn. 4. 5.)

Siehe auch G. P. Fisher, The Reformation, Kap. 15. Abschn. 16; E. Petavel, The Bibel in France, Kap. 2, Abschn. 3, 8-10. 13. 2 1; G. H. Putnam, The Censorship of the Church of Rome, Bd. 1, Kap. 4, Bd. 2, Kap. 2.

 

 

22. Die Schreckensherrschaft. Über die Verantwortlichkeit der irregeführten Leiter in Kirche und Staat, besonders in der Kirche, für die Vorgänge während der Französischen Revolution siehe W. M. Sloane, The French Revolution und Religious Reform, Vorwort und Kap. 2, Abschn. 1. 2. 10-14, (Ausg. 1901, S. 7-9. 19. 20. 26-31. 40); Philipp Schaff in Papers of the American Society of Church History, Bd. 1, S. 38. 44; J. G. Lorimer, An Historical Sketch of the Protestant Church of France, Kap. 8, Abschn. 6. 7; A. Galton, Church and State in France, 1300-1907, Kap. 3, Abt. 2 (London, 1907); Sir J. Stephen, Lecturesw on the History of France, 16. Vorl., Abschn. 60.

 

 

23. Die Massen und die Bevorzugten. Wegen der gesellschaftlichen Zustände in Frankreich vor der Zeit der Revolution siehe H. von Holst, Lowell Lectures on the French Revolution, 1. Vorl.; auch Taine, Ancient Regime, und A. Young, Travels in France.

 

 

24. Wiedervergeltung. Wegen Einzelheiten über den wiedervergeltenden Charakter der Französischen Revolution siehe Thos. H. Gill, The Papal Drama, Buch 16; E. de Pressence, L’Eglise et la Revolution Francaise, Buch 3, Kap. 1

 

 

25. Die Grausamkeiten der Schreckensherrschaft. Siehe M. A. Thiers, Histoire de la Revolution Francaise, Bd. 3, S. 42-44, 62-74. 106. (N. Y., 1890); F. A. Mignet, Histoire de la Revolution Francaise, Kap. 9, Abschn. 1 (Bohn, 1894); A. Alison, History of Europe, 1789-1815, Bd. 1, Kap. 14 (N. Y., 1872, Bd. 1, S. 293-312).

 

 

26. Die Verbreitung der Heiligen Schrift. Erst durch die Bibelgesellschaften erhielt die Heilige Schrift eine weitere Verbreitung. Die erste Bibelgesellschaft wurde 1711 von Canstein unter Mitwirkung von A. F.. Francke gegründet. Doch im Jahre 1804, dem Gründungsjahre der Britischen und Ausländischen Bibelgesellschaft, gab es nach Angaben dieser Gesellschaft nicht mehr als vier Millionen Bibeln in gedruckter und geschriebener Form. Die Zahl der Sprachen, in die Gottes Wort damals übersetzt war, betrug etwa 50.

Die Amerikanische Bibelgesellschaft hat in der Zeit von 1816 bis 1980 weit über eine Milliarde Bibeln, Neue Testamente und Teile aus dem Alten und Neuen Testament verbreitet.

Allein im Jahre 1980 wurden in der ganzen Welt 440 054 483 Bibeln, Neue Testamente, Bibelteile und Auswahlhefte verbreitet. Die vollständige Bibel gibt es in 268 Sprachen, Teile daraus sogar in 1660 Sprachen von den rund 3000 Sprachen. Es kommen ständig neue Sprachen hinzu.

Die Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart hat seit ihrem Bestehen schon weit mehr als 50 Millionen Bibeln und Bibelteile verbreitet.

 

 

27. William Miller. Die Adventbotschaft fand in Amerika hauptsächlich durch William Miller und dessen Mitarbeiter ihre Verbreitung. Gott gebrauchte diese Leute in mächtiger Weise für die Verbreitung der Botschaft in dem großen Lande der Vereinigten Staaten, dem Lande, in welchem alle Völker der Erde ihre Vertretung fanden und dessen Einwohner aus den Nachkommen solcher bestanden, die von fast allen zivilisierten Ländern Europas eingewandert waren. Die Adventbotschaft war jedoch eine weltweite, wie die folgenden Kapitel des Buches klar darlegen. William Miller war mit seiner Berechnung prophetischer Zeit und seiner Annahme des Jahr-Tag-Prinzips, auf welche er seine Berechnung gründete, im Recht. Welchen Fehler er in der Bestimmung des Ereignisses für den Ablauf dieser prophetischen Zeit machte, geht aus dem Folgenden hervor. Nach der Enttäuschung, die Miller zuteil wurde, teilte sich die Zahl der vorgeblichen Adventgläubigen in verschiedene Zweige. Indem sie die Grundlage der Botschaft Millers verließen, erstrebten sie eine Anpassung der prophetischen Perioden oder sie bestimmten Zeiten für das Kommen des Herrn, oder sie wandten sich ganz von Miller ab. Manche von solchen, die behaupten, seine Nachfolger zu sein - aber schriftwidrige Ansichten von Christus und seinem Priestertum, von einer zukünftigen Gnadenzeit, von einem Plan der Zeitalter, von der Gottheit Christi haben -, sind so weit entfernt von den Grundsätzen, die William Miller befolgte, wie der Westen vom Osten. Die wahren Nachfolger William Millers sowie aller Gott gesandten Reformatoren sind solche, die wahre Grundsätze der Schriftauslegung befolgen und im Einklang mit diesen Grundsätzen von dem immer heller scheinenden Worte geleitet werden. Miller war einer jener Hüter Gottes, die da rufen: „Der Morgen kommt,“ und seinem Rufe schlossen sich eine Menge Stimmen aus allen Ländern der Erde an.

 

 

28. Prophetische Daten. Damit der Leser das Vernünftige der Stellung Millers über die prophetischen Zeitangaben einsehe, führen wir nachfolgende Auseinandersetzung an, welche, in Antwort an einen Korrespondenten, im März 1850 im <Advent Herald>, Boston, veröffentlicht wurde:

„Die große prophetische Periode wird durch den Kanon des Ptolemäus festgestellt. Dieser Kanon setzt das siebente Jahr des Artaxerxes auf das Jahr 457 v. Chr.; und die Richtigkeit dieses Kanons wird durch das zutreffende Übereinstimmen von mehr als zwanzig Finsternissen dargetan. Die siebzig Wochen sind von der Veröffentlichung eines Erlasses hinsichtlich der Wiederherstellung Jerusalems an zu rechnen. Zwischen dem siebenten und zwanzigsten Jahr des Artaxerxes erschien kein Dekret.. Die Vierhundertneunzig Jahre müssen beim siebten anfangen und im Jahre 457 v. Chr. beginnen, wonach sie im Jahre 34 nach Christus enden würden. Mit dem zwanzigsten anfangend, müssen sie im Jahre 444 v. Chr. beginnen, und im Jahre 47 n. Chr. enden. Da sich im Jahre 47 nichts ereignete, das ihren Ablauf gekennzeichnet hätte, können wir nicht vom zwanzigsten an rechnen; wir müssen deshalb auf das siebente Jahr des Artaxerxes sehen. Diesen Zeitpunkt können wir nicht vom Jahre 457 v. Chr. wo anders hin verlegen, ohne erst die Unrichtigkeit des ptolemäischen Kanons darzutun. Zu dem Zweck würde es nötig sein, zu beweisen, daß die große Zahl von Finsternissen, durch welche seine Genauigkeit zu wiederholten Malen dargetan wurde, nicht richtig berechnet worden ist und ein solches Ergebnis würde eine jede chronologische Zeitangabe unsicher machen und die Bestimmung von Epochen und die Berichtigung von Zeitaltern völlig der Gnade eines jeglichen Träumers überlassen, so daß die Chronologie von keinem größeren Werte wäre als bloße Vermutungen. Da die siebzig Wochen im Jahre 34 zu Ende gehen müssen, es sei denn, daß das siebente Jahr des Artaxerxes unrichtig bestimmt ist, und da dasselbe nicht verändert werden kann, ohne jegliche Beweise dafür, so fragen wir: Welches Ereignis kennzeichnete den Ablauf derselben? Die Zeit, wo die Apostel sich zu den Heiden wandten, stimmt besser mit jener Zeitangabe überein, als irgend etwas anderes, das genannt wurde. Und die Kreuzigung im Jahre 31, in der Mitte der siebzigsten Woche, wird durch eine Menge von Zeugnissen, welche nicht leicht ungültig gemacht werden können, aufrecht erhalten.“

Da die siebzig Wochen und die 2300 Tage einen gemeinsamen Ausgangspunkt haben, wird die Berechnung Millers in einem Augenblick bestätigt, wenn wir die 457 Jahre v. Chr. von den 2300 abziehen. Also 2300 - 457 = 1843. Das Jahr 1843 n Chr. wurde jedoch als bis zum Frühjahr 1844 sich erstreckend betrachtet. Der Grund hierfür ist kurz folgender: Vor alters begann das Jahr nicht wie jetzt mitten im Winter, sondern mit dem ersten Neumond nach der Frühjahrs Tag- und Nachtgleiche. Da deshalb die Periode der 2300 Tage in einem nach den Methoden des Altertums berechneten Jahr anfing, wurde es nötig erachtet, nach dieser Methode bis zu deren Schluß zu rechnen. Deshalb wurde 1843 als im Frühjahr anstatt im Winter zu Ende gehend, berechnet.

Die 2300 Tage können aber nicht vom Anfang des Jahres 457 v. Chr. an gerechnet werden; denn der Erlaß des Artaxerxes - welcher den Anfangspunkt bildet - trat nicht in Kraft bis zum Herbst jenes Jahres. Folglich müssen die 2300 Tage, da sie im Herbst 457 v. Chr. - anfangen, sich bis auf den Herbst des Jahres 1844 n. Chr. erstrecken.

Da Miller und seine Genossen diese Tatsachen zuerst nicht erkannten, sahen sie der Ankunft Christi in 1843 oder im Frühjahr des Jahres 1844 entgegen; daher kam die erste Täuschung und die scheinbare Verzögerung. Es war die Entdeckung der richtigen Zeit, im Zusammenhang mit anderen biblischen Aussagen, welche zu der unter dem Namen „Mitternachtsschrei“ von 1844 bekannten Bewegung führten. Und bis auf diesen Tag steht die Berechnung der prophetischen Perioden, welche den Schluß der 2300 Tage auf den Herbst des Jahres 1844 bringen, unbestritten da.

 

 

29. Der Fall des Osmanischen Reiches. Wegen Einzelheiten zum vorhergesagten Fall des Osmanischen Reiches während des Monats August 1840 siehe J. Litch, The Probability of the Second Coming of Christ about A. D. 1843 (veröffentlicht Juni 1838); J. Litch, An Addreß to the Clergy (veröffentlicht Frühjahr 1840; Eine zweite Ausgabe mit geschichtlichen Daten, die die Genauigkeit der früheren Berechnungen der prophetischen Zeit bis zum Fall des Osmanischen Reiches darlegten, wurde veröffentlicht 1841); Advent Shield and Review, Bd. 1 (1844), Nr. 1, S. 56-61; J. N. Loughborough, Entstehung und Fortschritt der Siebenten-Tag-Adventisten, S. 47-50.)

 

 

30. Bibelverbot. Wegen des Verhaltens der römisch katholischen Kirche zur Bibelverbreitung in der Volkssprache siehe Catholic Encycl., Art. Bibel; Zeller, Theol. Handwörterbuch, Art. Bibellesen der Laien und Bibelverbote in der kath. Kirche; auch G. P. Fisher, The Reformation, Kap. 15, Abschn. 16 (1873, S. 530–532); Kardinal J. Gibbons, Glaube unserer Väter, Kap. 8; J. Dowling, History of Romanism, Buch 7, Kap. 2, Sek. 14, und Buch 9, Kap. 3, Sek. 24-27 (1871, S. 491-496. 621-625).

 

 

31. Die Adventbotschaft in Deutschland. Bengel stand in seinem Verkündigen der Wahrheit nicht allein da. Die Pastoren Büehrlin, Roos, Peters, Kelber, Stilling und andere predigten das nahe Kommen Christi. Bengel gründete seine Botschaft auf Beweise aus dem Buch der Offenbarung. Stilling war der Ansicht, daß die buchstäbliche Erfüllung dieses Buches begonnen hatte. Roos und Kelber, von denen jener im Jahre 1770 und dieser im Jahre 1805 schrieb, fanden die Begründung für ihre Botschaften in den prophetischen Perioden des Buches Daniel. In demselben Jahre erklärte Stilling, daß die warnende Botschaft.des dritten Engels von Offb. 14, 9-12 noch nicht verkündigt worden sei, aber daß dies in Kürze geschehen würde. Über das zweite Kommen Jesu schrieb Kelber die Werke: „Das Ende kommt“ und „Antichrist“. Die vierte Ausgabe des letztgenannten Buches erschien im Jahre 1842.

 

 

32. Himmelfahrtskleider. Die Fabel, daß die Adventisten sich Kleider anfertigten, um dem Herrn „in der Luft“ zu begegnen, wurde von solchen erdichtet, die die Sache verhöhnten; sie wurde so eifrig verbreitet, daß viele sie glaubten; aber eine sorgfältige Untersuchung enthüllte das Gerede eben als Fabel. Viele Jahre hindurch ist eine große Belohnung ausgesetzt worden, einen Beweis der Richtigkeit zu bringen; aber nicht einer ist gebracht worden. Keiner, der die Erscheinung des Herrn liebte, war den Lehren der Heiligen Schrift so unkundig, daß er hätte annehmen können, für diese Gelegenheit Kleider anfertigen zu müssen. Das einzige Gewand, welches die Heiligen nötig haben, um dem Herrn entgegenzugehen, ist die Gerechtigkeit Jesu. Siehe Offb. 19, 8.

 

 

33. Die Zeitrechnung der Weissagung. Dr. G. Bush, Professor der Hebräischen und orientalischen Literatur an der Universität der Stadt New York, machte in einem an Miller gerichteten und im „Advent Herald“ vom März 1844 veröffentlichten Brief mehrere wichtige Zugeständnisse über dessen Berechnungen der prophetischen Zeiten. Er schrieb:

„ Es kann nach meinem Dafürhalten weder Ihnen noch Ihren Freunden der Vorwurf gemacht werden, daß Sie dem Studium der Zeitrechnung der Weissagung zu viel Zeit und Aufmerksamkeit geschenkt und sich zuviel Mühe gegeben haben, das Anfangs- und das Schlußdatum ihrer großen Perioden festzustellen. Falls diese Perioden tatsächlich durch den Heiligen Geist in den prophetischen Büchern eingegeben sind, so war es unzweifelhaft zu dem Zweck, daß sie studiert und wahrscheinlich am Ende völlig verstanden werden sollten, und niemand kann man vermessene Torheit zur Last legen, der ehrfurchtsvoll den Versuch macht, dies zu tun. ... In der Annahme, daß ein Tag nach prophetischem Sprachgebrauch ein Jahr bedeutet, glaube ich, daß Sie sich auf die sicherste Bibelauslegung stützen und auch bestärkt werden durch die angesehenen Namen von Mede, Sir Isaak Newton, Kirby, Scott, Keith und vielen andern, welche schon längst auf wesentlich dieselben Schlüsse wie Sie über diesen Punkt gekommen sind. Sie stimmen alle dahin überein, daß die von Daniel und Johannes erwähnten leitenden Perioden tatsächlich ungefähr in diesem Zeitalter der Welt ablaufen, und es müßte eine seltsame Logik sein, welche Sie der Ketzerei überführen wollte, weil Sie in Wirklichkeit dieselben Ansichten hegen, welche in den Angaben dieser hervorragenden Gelehrten so sehr hervortreten. ... Ihre Ergebnisse auf diesem Gebiet der Forschung dünken mich bei weitem nicht so sehr abweichend, als daß sie irgendwie die großen Grundsätze der Wahrheit und der Pflicht beeinträchtigen könnten. ... Ihr Irrtum liegt nach meiner Auffassung in einer anderen Richtung als derjenigen der Zeitrechnung. ... Sie haben die Natur der Ereignisse, welche sich beim Ablauf der Perioden zutragen sollen, gänzlich mißverstanden. Dies ist der Kern und die Summe Ihres Fehlers in der Auslegung.“

 

 

34. Das Heiligtum. Daß die Erde das Heiligtum sei, wurde aus jenen Bibelstellen geschlossen, welche lehren, daß dieselbe gereinigt und nach der ursprünglichen Absicht. des Schöpfers zur ewigen Wohnstätte der Heiligen hergerichtet werden solle. Die Adventisten faßten dies auf, gerade wie es von Wesley und anderen gelehrt wurde. Und ihre Gedanken verweilten bei keiner anderen Wohnstätte, oder irgend etwas anderem, was der Reinigung oder Rechtfertigung bedürfte. Die einzigen Bibelstellen, welche unseres Wissens je zu Gunsten der Ansicht, daß die Erde oder irgend ein anderer Wohnort der Menschen das Heiligtum genannt werde, angeführt wurden, beweisen deutlich die Unhaltbarkeit dieser Behauptung. Es sind ihrer nur drei an Zahl, nämlich:

2. Mose 15, 17: „Bringe sie hinein, und pflanze sie auf dem Berge deines Erbteils, den du, Herr, dir zur Wohnung gemacht hast; zu deinem Heiligtum, Herr, das deine Hand bereitet hat.“

Ohne die Zeit oder den Raum zu nehmen, eine Erklärung dieser Stelle zu geben, genügt für den gegenwärtigen Zweck die Bemerkung, daß sie den Gedanken, die Erde sei das Heiligtum, widerlegt. Man mag die Stelle auffassen wie man will, so lehrt sie, daß das Volk damals nicht im Heiligtum, sondern auf der Erde war. Dann wird behauptet, daß es sich auf jenen Teil der Erde beziehe, in welchen Israel gebracht werden sollte, nämlich Palästina. Dies wird widerlegt durch die zweite Stelle:

Josua 24, 26: „Und Josua schrieb dies alles ins Gesetzbuch Gottes; und nahm einen großen Stein, und richtete ihn auf daselbst unter einer Eiche, die bei dem Heiligtum des Herrn war.“ Der Stein und die Eiche waren in Palästina; aber sie waren nur bei dem Heiligtum des Herrn - nicht aber in demselben. Und die andere Stelle ist noch einschränkender und ebenso entschieden gegen den Schluß, zu welchem sie verwendet wurde:

Ps. 78, 54: „Und brachte sie (sein Volk) in seine heilige Grenze, zu diesem Berge, den seine Rechte erworben hat.“ Der Berg war der Berg Morija, auf welchem der Tempel Salomos gebaut wurde; das Hinzugebrachtwerden aber wird genannt ein Gebrachtwerden „in seine heilige Grenze.“ Diese Stellen beweisen somit nicht, daß die Erde das Heiligtum ist, sondern eher das Gegenteil.

Josaphats Gebet gibt die richtige Vorstellung von dem Verhältnis jenes Landes zum Heiligtum: „Hast du, unser Gott, nicht die Einwohner dieses Landes vertrieben vor deinem Volk Israel, und hast es gegeben dem Samen Abrahams, deines Liebhabers, ewiglich? Daß sie darinnen gewohnet, und dir ein Heiligtum zu deinem Namen darinnen gebauet haben.“ (2. Chron. 20, 7. 8.)

Dies entspricht dem Auftrag in 2. Mose 25, 8: „Sie sollen mir ein Heiligtum machen, daß ich unter ihnen wohne.“ In demselben Buch wird auch eine bis ins Einzelne gehende Beschreibung des Heiligtums, seiner Erbauung und seiner Annahme von Gott, gegeben. Der Vorgang der Reinigung oder Rechtfertigung des Heiligtums wird in 3. Mose 16  beschrieben. Als die Kinder Israel Kanaan besaßen, baute Salomo einen Tempel, in welchem ein Heiliges und Allerheiligstes war; auch wurden die Gefäße des beweglichen Heiligtums, welches in der Wüste Arabiens gemacht worden war, in den Tempel gebracht. Das war damals das Heiligtum, die Wohnstätte der Herrlichkeit Gottes auf Erden. Etliche folgerten, daß das irdische Heiligtum, auf Grund jener Schriftstellen, in welchen die Gemeinde der Tempel Gottes genannt wird, ein Symbol der Gemeinde sein müsse. Es kommt jedoch in der Heiligen Schrift nicht selten vor, daß dieselbe Redefigur in verschiedenem Zusammenhang auch auf verschiedene Gegenstände angewandt wird. Die Bibel lehrt deutlich, daß die heiligen Stätten des irdischen Heiligtums „der himmlischen Dinge Vorbilder“ sind. Hebr. 9, 23. Der Ausdruck: „Tempel Gottes,“ wird manchmal angewandt, um das Heiligtum im Himmel, manchmal aber die Gemeinde zu bezeichnen. Seine Bedeutung muß in jedem Fall durch den Zusammenhang festgestellt werden.

 

 

35. Die Reinigung des Heiligtums. Beinahe alle Adventisten, Miller nicht ausgeschlossen, glaubten eine Zeitlang nach der Enttäuschung vom Jahre 1844, daß die Welt ihre letzte Warnung erhalten habe. Sie konnten bei ihrem Glauben an die Botschaft, die sie erteilt hatten -„die Zeit des Gerichtes ist gekommen“ (Offb. 14, 6. 7) - kaum etwas anderes glauben. Sie nahmen natürlicherweise an, daß diese Verkündigung die Gnadenzeit zum Abschluß bringen müsse. Aber der Gedanke, daß das Werk des Evangeliums beendigt sei, wurde bald aufgegeben, ausgenommen von einigen Schwärmern, welche weder Rat noch Unterweisung annehmen wollten. Es gab eine Klasse, welche den Gedanken, daß die „Gnadentüre“ geschlossen sei, bald aufgab, weil sie entdeckten, daß nach jener Erklärung: „Die Zeit des Gerichtes ist gekommen,“ andere Botschaften verkündigt werden sollten; und daß jene des dritten Engels, die letzte, zu allen „Heiden und Sprachen und vielen Königen“ gehen sollte. Sie erfuhren, daß vor dem Kommen des Herrn das Gericht im Himmel Sitzung hält, daß das Gericht der Gerechten ganz vollendet wird, während Christus noch ihr Fürsprecher vor des Vaters Thron ist; daß das ewige Leben den Heiligen augenblicklich gegeben wird, wenn ihr Heiland kommt, was ein Beweis ist, daß sie gerichtet und freigesprochen wurden. Mit dem Lichte über die dritte Engelsbotschaft empfingen sie auch Licht über das Heiligtum und seine Reinigung, wodurch sie verstanden, daß das große Werk des vorbildlichen Versöhnungstages, welches im Allerheiligsten vollzogen wurde, das war, was durch die Botschaft, welche sie erteilt hatten, bezeichnet worden war. Sie sahen, daß im Tempel Gottes zwei Türen oder Vorhänge waren (Hebr. 9, 3) und daß zu jener Zeit die eine geschlossen und die andere geöffnet wurde. Mit ernstem Eifer und neuer Hoffnung predigten sie diese Wahrheiten und drangen auf ihre Mitmenschen ein, durch den Glauben Eingang zu suchen in das Allerheiligste, in das Inwendige des zweiten Vorhangs, wo unser großer Hoherpriester hingegangen ist, um die Sünden aller seiner Getreuen auszutilgen, von Abel bis auf die gegenwärtige Zeit.

 

 

36. Eine dreifache Botschaft. Offb. 14, 6. 7 sagt die Verkündigung der ersten Engelsbotschaft vorher. Dann fährt der Prophet fort: „Ein anderer Engel folgte nach, der sprach: Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon, die große Stadt. ... Und der dritte folgte diesem nach.“ Das hier mit „folgte nach“ wiedergegebene Wort aus dem griechischen Grundtext hat in Zusammenstellungen wie die vorliegende den Sinn von „mitgehen, begleiten“, wie dies auch die Wörterbücher als erste Bedeutung des Wortes gelten lassen. So z. B. Pape: „Mit jemandem einen Weg machen, ihn begleiten.“ Desgleichen andere. Es ist das nämliche Wort, welches in Mark. 5, 24 gebraucht wird: „Und er ging hin mit ihm, und es folgte ihm viel Volks nach und sie drängten ihn.“ Es wird auch angewendet, wo von den 144 000 Erlösten die Rede ist und es heißt: „Diese... folgen dem Lamm nach, wo es hingeht.“ Offb. 14, 4. In diesen beiden Stellen gibt sich der Sinn des Wortes deutlich als „begleiten, mitgehen“ zu erkennen. Desgleichen in 1. Kor. 10, 4, wo wir von den Kindern Israel lesen, daß sie „tranken von dem geistlichen Fels, der mitfolgte“, welches im Grundtext das nämliche Wort ist. Hieraus ersehen wir, daß der Sinn in Offb. 14, 8. 9 nicht einfach der ist, daß der zweite und der dritte Engel dem ersten in Reihenfolge der Zeit folgte, sondern daß sie mit ihm gingen. Die drei Botschaften sind nur eine dreifache Botschaft. Sie sind nur drei Botschaften in der Reihenfolge ihres Anfangs. Doch nachdem sie angefangen, gehen sie miteinander und sind unzertrennlich.

 

 

37. Die Oberherrschaft der römischen Bischöfe. Der Bischof von Rom begann sehr früh schon von allen Kirchen Unterwürfigkeit zu verlangen. Hiervon ist der Streit zwischen der orientalischen und der westlichen Kirche ein schlagendes Beispiel. Dieser Streit erhob sich im zweiten Jahrhundert. Mosheim sagt: „Die Christen dieser Zeiten widmeten ihre jährlichen Festtage dem Andenken des Todes und der Auferstehung unseres Heilandes. ... Der Festtag des Versöhnungstodes Jesu hieß Passen.“ Wie die Juden, so feierten auch die Christen „eine heilige Mahlzeit, oder sie aßen das Passahlamm, zum Andenken des letzten Abendmahls unseres Erlösers.“ Die asiatischen Christen hielten ihre Ostern am vierzehnten Tage des ersten jüdischen Monats, zur nämlichen Zeit mit den Juden, zu welcher auch Christus das Osterlamm mit seinen Jüngern gegessen haben soll. Drei Tage später feierten sie das Andenken an die Auferstehung Jesu von den Toten. Die abendländischen Kirchen hingegen, feierten den Auferstehungstag Christi am Sonntag nach dem jüdischen Osterfest, und beobachteten das Passah in der Nacht vor Sonntag, wodurch sie das Andenken an den Tod Christi mit demjenigen an seine Auferstehung vereinten.

„Gegen Ende des [zweiten] Jahrhunderts hielt Victor, Bischof zu Rom, es für nötig, die asiatischen Christen durch Gesetze und Verordnungen zur Befolgung der Regel, nach welcher sich der größte Teil der Christenheit richtete, zu zwingen. ... So gebot er den asiatischen Bischöfen durch einen befehlshaberischen Brief, daß sie bei der Feier des Osterfestes den übrigen Christen folgen sollten. Diese antworteten,... sie würden von der heiligen Gewohnheit ihrer Vorfahren nicht abgehen. Victor, welcher durch diesen Schluß erbittert wurde, schloß sie von seiner und seiner Kirche Gemeinschaft... aus, das ist, er erklärte sie unwürdig, von ihm Brüder genannt zu werden.“ (Mosheim: Kirchengeschichte, zweites Jahrhundert, zweiter Teil, IV. Hauptstück, § 9. 11.) „Dies,“ sagt Bower, „war der erste Versuch päpstlicher Usurpation.“

Eine Zeitlang jedoch konnten die Anstrengungen Victors nur wenig erzielen. Seine Briefe ließ man unbeachtet und die asiatischen Christen fuhren in der Beobachtung ihrer herkömmlichen Weise fort. Doch indem es die Stütze des kaiserlichen Armes für sich gewann, den die Kirche so lange für ihre Zwecke beherrschte, trug Rom endlich den Sieg davon. Das Konzil von Nicäa, „um Konstantin dem Großen zu gefallen, bestimmte, daß die Osterfestlichkeiten überall an ein und demselben Tage gefeiert werden sollten, nach römischem Brauch.“ Bower: Geschichte der Päpste, Bd. 1, Seite 18. 18.) Dieser Erlaß, „unterstützt durch die Autorität eines so großen Kaisers,“ war entscheidend; „nur etliche hier und da zerstreute Schismatiker, welche gelegentlich auftraten, wagten es dem Beschluß jener berühmten Synode entgegenzutreten.“ (Heylyn: History of the Sabbath, Teil 2, Kap. 2, Abschn. 4. 5.)

 

 

38. Die abessinische Kirche. Über die Feier des biblischen Sabbats bei den Abessiniern siehe Gibbon, Roms Sinken und Verfall, Spalte 1713-1715; engl. Ausg., Kap. 47, Abschn. 37-39; Andrews Conradi, Gesch. des Sabbats, S. 412-416; A. P. Stanley, Lectures on the History of the Eastern Church, 1. Vorl., Abschn. 15 (N. Y. Ausg., 1862, S. 96, 97); Samuel Gobat, Journal of Three Years Residence in Abyssinia, S. 55-58.83.93-98 (N. Y. Ausg., 1850); A. H. Lewis, A Critical History of the Sabbath and the Sunday in the Christian Church, S. 208-215 (2. rev. Ausg.).

 

 

39. Malzeichen, Siegel. Das Wort „Siegel“ wird in der Heiligen Schrift in verschiedenem Sinne gebraucht, gerade wie auch im gewöhnlichen Leben. Die beste Begriffsbestimmung dafür, von dem weltberühmten Lexikographen Noah Webster, lautet wie folgt: „Das, was bestätigt, bekräftigt, oder fest macht; Versicherung; das, was authentisch macht; was versichert, zuverlässig oder - bestehend macht.“ Die Ausdrücke „Malzeichen“ und „Zeichen“, die er ebenfalls angibt, werden in der Heiligen Schrift als gleichbedeutend mit Siegel benützt. Siehe Röm. 4, 11.

In dem Bund mit Noah wird es im Sinne von Versicherung oder Beweis der Zuverlässigkeit gebraucht. Der Bogen in den Wolken wurde als ein Siegel oder Zeichen gegeben, daß Gott die Erde nicht wieder durch eine Flut zerstören werde. 1. Mose 9, 13. In dem Bunde mit Abraham war die Beschneidung das Zeichen oder Siegel. Dieses bestätigte oder machte sicher; denn diejenigen, welche dieses Zeichen nicht hatten, wurden ausgerottet. 1. Mose 17, 11. 14. Dieses Siegel oder Zeichen war eine Einrichtung, ein Ritus. Gesenius bezeichnet „Gedächtnis“ als eine Begriffsbestimmung des im Urtext dieser Stelle gefundenen Wortes. Aber ein Gedächtnis, oder etwas, das erinnert oder an etwas ermahnt, ist ein Zeichen oder Siegel.

In 2. Mose 31, 17 und Hes. 20, 12. 20 wird der Sabbat des Herrn ein Zeichen genannt. Er dient zur Erinnerung an das Werk des Schöpfers, und ist somit ein Zeichen seiner Macht und Gottheit. Röm. 1, 20. Er ist ebensowohl eine Einrichtung Gottes wie dies die Beschneidung war; aber es besteht folgender Unterschied: die Beschneidung war ein Zeichen im Fleisch, während der Sabbat ein Zeichen im Geist ist. „Und meine Sabbate sollt ihr heiligen, daß sie zum Zeichen seien zwischen mir und euch, damit ihr lernet, daß ich der Herr, euer Gott bin.“ Hes. 20, 20.

In Hes. 9, 4 ist das im Urtext gebrauchte Wort mit „Zeichen“ übersetzt. Gesenius verdeutscht es mit „ein Malzeichen, Zeichen.“ Die Septuaginta hat an dieser Stelle dasselbe Wort, welches im Griechischen in Röm. 4, 11 steht und mit „Zeichen“ übersetzt ist. Somit werden die Wörter Zeichen, Malzeichen und Siegel in der Heiligen Schrift auf dieselben Dinge angewandt oder als gleichbedeutend benutzt.

In Hes. 9, 4 und Offb. 7, 2. 3 heißt es, daß das Malzeichen an der Stirne der Knechte Gottes angebracht werde. Diese Bibelstellen beziehen sich aber auf eine Zeit, wo völliges Verderben über die Gottlosen kommt. Das Siegel wird als Schutzmittel am Volke Gottes angebracht, um dasselbe vor dem drohenden Übel zu bewahren. Aber „die Sterne“ ist offenbar sinnbildlich benutzt, um den Verstand oder die Einsicht zu bedeuten, wie das „Herz“ gebraucht wird, um die Neigungen und Stimmungen zu bezeichnen. An der Stirne zu kennzeichnen oder versiegeln ist dasselbe wie „in die Sinne zu schreiben.“ Hebr. 10, 16.

Der Sabbat ist das Zeichen Gottes; er ist das Siegel seines Gesetzes. Jes. 8, 16. Er ist das Zeichen seines Ansehens und seiner Macht. Er ist ein Zeichen, wodurch wir erkennen können, daß er Gott ist, und deshalb heißt es passend, es sei an der Stirne angebracht. Die Anbeter des Tieres (Offb. 13) nehmen, heißt es, sein Malzeichen an ihre Stirn oder an ihre Hand. Wie die Stirne den Verstand bezeichnet, so die Hand die Macht, wie Ps. 89, 49: „Wo ist ein Mann, der seine Seele errette aus der Hölle Hand?“ Erzwungene Verehrung ist Gott nicht angenehm; seine Knechte sind nur an ihren Stirnen versiegelt. Aber sie ist gottlosen Mächten angenehm; darnach trug die römische Priesterherrschaft stets ein Verlangen. Siehe das 25. Kapitel, zum Beweis für die Natur dieses Malzeichens. Das Zeichen oder Siegel Gottes ist sein Sabbat, und das Siegel oder Malzeichen des Tieres steht in direktem Gegensatz dazu; es ist ein nachgemachter Sabbat am „Tage der Sonne.“ In Offb. 14, 9-12 halten diejenigen, welche das Malzeichen des Tieres nicht annehmen, die Gebote Gottes; und der Sabbat ist im vierten Gebot; sie halten den Sabbat des Herrn; sie haben das Zeichen oder Siegel. Die Wichtigkeit dieses Zeichens wird daraus ersichtlich, daß das vierte Gebot das einzige in dem Gesetz ist, welches den Schöpfer von falschen Göttern unterscheidet. Vergl. Jer. 10, 10-12; Apg. 17, 23. 24; Offb. 14, 6. 7 usw. Und es ist wegen der Beobachtung jenes Teils seines Gesetzes, daß sein Volk Verfolgung leiden wird. Wenn aber der Zorn Gottes auf die Verfolger kommt, welche erfunden werden, daß sie das Malzeichen des Tieres einschärfen, dann werden sie die Wichtigkeit des Sabbats - des Siegels des lebendigen Gottes - einsehen. Diejenigen, welche sich von dem abwenden, was der Herr gesprochen hat, als seine Stimme die Erde erschütterte, werden ihren verderblichen Irrtum bekennen, wenn seine Stimme Himmel und Erde erschüttern wird. Hebr. 12, 25. 26; Joel 3, 916.


Inhalt