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Wohl die größte Täuschung
aller Zeiten geschah vor Jahrtausenden. Eine von Satans Erfindungen! Und
obgleich er sie noch heute verwendet, durchschaut ihn kaum einer.
Hier kommen Sie nun zum
Zentrum des Spinnennetzes - wie Satan Tote verwendet, um Lebende einzufangen.
Mit der frühesten Geschichte des Menschen begann Satan seine Bemühungen, unser Geschlecht zu verführen. Er, der im Himmel Empörung angestiftet hatte, wollte die Bewohner der Erde veranlassen, sich mit ihm in dem Streit gegen die Regierung Gottes zu verbinden. Adam und Eva hatten sich im Gehorsam gegen das Gesetz Gottes eines vollkommenen Glückes erfreut, und diese Tatsache war ein beständiges Zeugnis gegen die Behauptung, die Satan im Himmel vorgebracht hatte, daß Gottes Gesetz knechtend und der Wohlfahrt seiner Geschöpfe zuwider sei. Auch war Satans Neid gereizt worden durch die schöne, dem sündenlosen Paar zugerichtete Heimat. Er faßte daher den Entschluß, die Menschen zu Fall zu bringen, um dann, nachdem er sie von Gott getrennt und unter seine eigene Macht gebracht hatte, von der Erde Besitz zu nehmen und hier sein Reich, dem Allerhöchsten zum Trotz, aufzurichten.
Hätte
er seinen wahren Charakter offenbart, so würde er ohne weiteres zurückgewiesen
worden sein; denn Adam und Eva waren vor diesem gefährlichen Feind gewarnt
worden; aber er arbeitete im dunkeln und verbarg seine Absicht, auf daß er
seinen Zweck um so sicherer erreiche. Die Schlange, damals ein Geschöpf von
anziehendem Äußeren, als Werkzeug benutzend, wandte er sich an Eva: „Ja,
sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von allerlei Bäumen im
Garten?“ (l. Mose 3, 1.) Wäre Eva nicht auf eine Unterredung mit dem Versucher eingegangen, so wäre
sie bewahrt geblieben; aber sie wagte es, sich mit ihm einzulassen und fiel
seinen listigen Anschlägen zur Beute. Auf diese Weise werden noch immer viele
überwunden. Sie bezweifeln und erwägen Gottes Anforderungen und nehmen,
anstatt den göttlichen Vorschriften zu gehorchen, menschliche, Ansichten an,
welche nur die Pläne Satans verdecken.
„Da
sprach das Weib zu der Schlange: Wir essen von den Früchten der Bäume im
Garten; aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt:
Esset nicht davon, rühret's auch nicht an, daß ihr nicht sterbet. Da sprach
die Schlange zum Weibe: Ihr werdet mitnichten des Todes sterben; sondern Gott
weiß, daß, welches Tages ihr davon esset, so werden eure Augen aufgetan, und
werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.“ (l. Mose 3, 2-5.) Er
erklärte, daß sie werden würden wie Gott, begabt mit größerer Weisheit als
zuvor und zu einem höheren Zustand des Daseins befähigt. Eva
gab der Versuchung nach, und durch ihren Einfluß wurde auch Adam zur Sünde
verführt. Sie nahmen die Worte der Schlange an, daß Gott nicht meinte, was er
sagte; sie mißtrauten ihrem Schöpfer und bildeten sich ein, daß er ihre
Freiheit beschränke und sie durch die Übertretung seines Gesetzes große
Weisheit und hohe Stellung erlangen könnten.
Aber
fand Adam nicht, nachdem er gesündigt hatte, daß der Sinn der Worte war:
„Welches Tages du davon issest, wirst du des Todes sterben?” Fand er ihre
Bedeutung dementsprechend, was Satan ihn glauben gemacht hatte, daß er in einen
erhabeneren Zustand des Daseins entrückt werden sollte? Dann war in der Tat
durch die Übertretung ein großer Gewinn zu erzielen, und Satan erwies sich als
der Wohltäter unseres Geschlechts. Aber Adam fand, daß dies keineswegs der
Sinn des göttlichen Ausspruches war. Gott erklärte, daß als eine Strafe für
seine Sünde der Mensch wieder Erde werden müsse, von der er genommen worden
war: „Du bist Erde und sollst zu Erde werden.“ (l. Mose 3, 19.) Die Worte
Satans: „So werden eure Augen aufgetan“, erwiesen sich als wahr nur in
diesem Sinn: nachdem Adam und Eva Gott
nicht gehorcht hatten, wurden ihnen die Augen geöffnet, um ihre Torheit
einzusehen; sie erkannten das Böse und kosteten die bittere Frucht der Übertretung.
In
der Mitte des Gartens wuchs der Baum des Lebens, dessen Frucht die Kraft hatte,
das Leben immerwährend zu unterhalten. Wäre Adam Gott gehorsam geblieben, so hätte
er sich stets des freien Zugangs zu diesem Baum erfreuen dürfen und würde ewig
gelebt haben. Als er aber sündigte, wurde er von dem Genuß des Lebensbaumes
abgeschnitten und dem Tode unterworfen. Der göttliche Urteilsspruch: „Du bist
Erde und sollst zu Erde werden“ verweist auf eine gänzliche Austilgung des
Lebens.
Die Unsterblichkeit, dem Menschen unter der Bedingung des Gehorsams verheißen, war durch die Übertretung verwirkt worden. Adam konnte seiner Nachkommenschaft nichts überlassen, was er selbst nicht besaß; und es hätte keine Hoffnung für das gefallene Geschlecht gegeben, wenn Gott nicht durch die Hingabe seines Sohnes dem Menschen die Unsterblichkeit nahegebracht hätte. Während „der Tod zu allen Menschen durchgedrungen“ ist, „dieweil sie alle gesündigt haben“, hat Christus „das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium.“ (Röm. 5, 12; 2. Tim. 1, 10.) Durch Christum allein kann Unsterblichkeit erlangt werden. Jesus sagte: „Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben. Wer dem Sohn nicht glaubt, der wird das Leben nicht sehen.“ (Joh. 3, 36.) Jeder Mensch kann in den Besitz dieses unschätzbaren Segens gelangen, wenn er die Bedingungen erfüllt. Alle, „die mit Geduld in guten Werken trachten nach dem ewigen Leben,“ empfangen „Preis und Ehre und unvergängliches Wesen.“ (Röm. 2, 7.)
Nur der große Betrüger versprach Adam Leben im Ungehorsam, und die der Eva
im Paradies durch die Schlange gemachte Erklärung: „Ihr werdet mitnichten des
Todes sterben!“ war die erste je über die Unsterblichkeit der Seele gehaltene
Predigt. Und doch hallt
diese Erklärung, welche einzig auf der Autorität Satans beruht, von den
Kanzeln der Christenheit wider und wird von der Mehrzahl der Menschen ebenso
bereitwillig angenommen wie von unseren ersten Eltern. Der göttliche
Richterspruch: „Welche Seele sündigt, die soll sterben“ (Hes. 18, 20) wird
also gedeutet: Die Seele, welche sündigt, die soll nicht sterben, sondern ewig
leben. Wir können uns nur wundern über die seltsame Verblendung, welche die
Menschen hinsichtlich der Worte Satans so leicht gläubig und in bezug auf die
Worte Gottes so ungläubig macht.
Hätte
der Mensch nach seinem Fall freien Zugang zu dem Baum des Lebens gehabt, so würde
er ewig gelebt haben, und auf diese Weise wäre die Sünde unsterblich gemacht
worden. Aber „Cherubim mit dem bloßen hauenden Schwert“ bewahrten „den
Weg zu dem Baum des Lebens“ (l. Mose 3, 24), und keinem der Adamsfamilie ist
es gestattet worden, die Schranke zu überschreiten und von der lebenspendenden
Frucht zu genießen. Deshalb gibt es keinen unsterblichen Sünder.
Aber nach dem Fall gebot Satan seinen Engeln, besondere Anstrengungen zu machen, den Glauben an des Menschen natürliche Unsterblichkeit einzuschärfen; wenn sie das Volk verleitet hätten, diesen Irrtum anzunehmen, sollten sie es zu der Schlußfolgerung führen, daß der Sünder ewig im Elend leben würde. Der Fürst der Finsternis stellt durch seine Diener Gott als einen rachsüchtigen Zwingherrn dar und erklärt, daß er alle, die ihm nicht gefallen, in die Hölle verstoße, wo er sie auf ewig seinen Zorn fühlen lasse; und daß ihr Schöpfer, während sie unaussprechliche Qualen erdulden und sich in den ewigen Flammen vor Schmerzen krümmen, mit Befriedigung auf sie niederblicke.
Auf diese Weise bekleidet der Erzfeind den Schöpfer und Wohltäter des
Menschengeschlechts mit den Eigenschaften, die er selbst besitzt.
Grausamkeit ist satanisch. Gott ist die Liebe, und alles, was er schuf, war
rein, heilig und lieblich, bis durch den ersten großen Empörer die Sünde
hereingebracht wurde. Satan selbst ist der Feind, der den Menschen zur Sünde
verführt und ihn dann, wenn möglich vernichtet; und wenn er sein Opfer
gesichert hat, frohlockt er über das bewirkte Verderben. Könnte er, wie er
wollte, so würde er das ganze Menschengeschlecht in sein Netz raffen. Legte
sich nicht die göttliche Macht ins Mittel, dann würde nicht ein Sohn, nicht
eine Tochter Adams entrinnen.
Der
böse Feind sucht die Menschen heute zu überwinden, wie er unsere ersten Eltern
überwand, indem er ihr Vertrauen auf den Schöpfer erschüttert und sie
verleitet, die Weisheit seiner Regierung und die Gerechtigkeit seiner Gesetze in
Zweifel zu ziehen. Satan und seine Gesandten stellen Gott als schlimmer dar,
denn sie selbst sind, um ihre eigene Bosheit und Empörung zu rechtfertigen. Der
große Betrüger bestrebt sich, seinen eigenen schrecklich grausamen Charakter
unserem himmlischen Vater unterzuschieben, damit er selbst als ein Wesen
erscheine, dem durch die Verstoßung aus dem Himmel ein großes Unrecht zugefügt
wurde, da er sich einem so ungerechten Herrscher nicht unterwerfen wollte. Er
stellt der Welt die Freiheit vor, der sie sich unter seiner milden Herrschaft
erfreuen könnte, im Gegensatz zu der durch die strengen Erlasse Jehovas
auferlegten Knechtschaft. Auf diese Weise gelingt es ihm, Seelen von ihrer Treue
zu Gott abwendig zu machen.
Wie sehr einer jeden Regung von Liebe und Barmherzigkeit und sogar unserem
Sinn von Gerechtigkeit zuwider ist die Lehre, daß die gottlosen Toten mit Feuer
und Schwefel in einer ewig brennenden Hölle gequält werden; daß sie für die
Sünden in einem kurzen irdischen Leben Qual leiden müssen solange Gott lebt!
Und doch ist dies allgemein gelehrt worden, und die Lehre findet sich noch heute
in vielen Glaubensbekenntnissen der Christenheit.
Ein angesehener Doktor der Gottesgelehrtheit sagte: „Der Anblick der Höllenqualen
wird die Glückseligkeit der Heiligen für immer erhöhen. Wenn sie sehen, wie
andere, gleicher Natur mit ihnen und unter den nämlichen Umständen geboren, in
solches Elend verstoßen sind, während sie selbst erhaben stehen, werden sie
innewerden, wie glücklich sie sind.“ Ein anderer bediente sich folgender
Worte: „Während der Verdammungsbefehl ewig an den Gefäßen des Zornes ausgeübt
wird, wird der Rauch ihrer Qual ewiglich, gesehen von den Gefäßen der Gnade,
aufsteigen, und diese werden, anstatt Teilnahme mit diesen Elenden zu empfinden,
sagen: Amen, Halleluja, lobet den Herrn!“
Wo finden sich im Worte Gottes solche Lehren? Werden die Erlösten im Himmel für alle Gefühle des Mitleids und des Erbarmens und sogar für die Empfindungen der gewöhnlichen Menschlichkeit unzugänglich sein? Sollen diese gegen die Gleichgültigkeit des Stoikers oder die Grausamkeit des Wilden ausgetauscht werden? - Nein nein; das lehrt das Wort Gottes nicht! Männer, welche die in den oben angeführten Worten ausgedrückten Ansichten verkündigen, mögen Gelehrte und sogar aufrichtige Menschen sein, aber sie sind durch die Trugschlüsse Satans betrogen. Er verleitet sie, starke Ausdrücke der Heiligen Schrift zu entstellen und dem Wortlaut eine Färbung der Bitterkeit und Bosheit zu geben, die ihm selbst, aber nicht unserem Schöpfer, eigen ist. „So wahr als ich lebe, spricht der Herr, Herr: Ich habe keinen Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern daß sich der Gottlose bekehre von seinem Wesen und lebe. So bekehret euch doch nun von eurem bösen Wesen. Warum wollt ihr sterben?“ (Hes. 33, 11.)
Könnte
es zu Gottes Gunsten sein, falls wir zugeben wollten, daß er sich ergötze beim
Anblick unaufhörlicher Qualen; daß er erquickt werde durch das Stöhnen, das
Geschrei und die Verwünschungen der leidenden Geschöpfe, die er in den Flammen
der Hölle gefangen hält? Können diese entsetzlichen Töne Musik sein in den
Ohren unendlicher Liebe? Man sucht geltend zu machen, daß die Verhängung
endlosen Elends über die Gottlosen den Haß Gottes gegen die Sünde bekunde als
gegen ein Übel, welches den Frieden und die Ordnung im Weltall störe. 0
schreckliche Gotteslästerung! Als ob Gottes Haß gegen die Sünde ein Grund
sei, sie zu verewigen! Denn nach den Lehren dieser Theologen macht die
fortgesetzte Qual ohne Hoffnung auf Erbarmen ihre elenden Opfer rasend, und da
sich ihre Wut in Flüchen und Gotteslästerungen ergießt, vermehren sie ihre
Schuldenlast beständig. Gottes
Herrlichkeit wird nicht erhöht durch eine derartige endlose Verewigung der beständig
zunehmenden Sünde.
Es liegt außer dem Vermögen des menschlichen Geistes, das Übel abzuschätzen,
welches durch die falsche Lehre von der ewigen Qual geschaffen worden ist. Die
Religion der Bibel, voll Liebe und Güte und überaus reich an Erbarmen, wird
verfinstert durch den Aberglauben und in Schrecken gehüllt. Wenn wir bedenken,
in welchen falschen Farben Satan den Charakter Gottes gemalt hat, können wir
uns dann wundern, daß unser gnadenreicher Schöpfer gefürchtet, gescheut und
sogar gehaßt wird? Die erschreckenden Vorstellungen von Gott, wie sie durch die
Lehren von der Kanzel über die Welt verbreitet wurden, haben Tausende, ja
Millionen von Zweiflern und Ungläubigen geschaffen.
Die Ansicht von einer ewigen Qual ist eine der falschen Lehren, welche den
Greuelwein des geistlichen Babylons ausmachen, mit welchem es die Völker
trunken macht. (Offb.
14, 8; 17, 2.) Wie Diener Christi diese falsche Lehre annehmen und sie von
geweihter Stätte herab verkündigen konnten, ist in der Tat unverständlich.
Sie empfingen sie wie auch den falschen Sabbat von Rom. Wohl haben große und
gute Männer sie auch gepredigt; aber jenen war nicht das Licht über diesen
Gegenstand geworden, wie es zu uns gekommen ist. Sie waren nur für das Licht
verantwortlich, das zu ihrer Zeit schien; wir müssen Rechenschaft ablegen über
das Licht, welches in unserer Zeit scheint. Wenden wir uns von dem Zeugnis des Wortes Gottes ab und nehmen falsche
Lehren an, weil unsere Väter sie verbreiteten, so fallen wir unter die über
Babylon ausgesprochene Verdammnis; wir trinken von dem Wein ihrer Greuel.
Sehr viele Menschen, denen die Lehre von einer ewigen
Qual empörend ist, werden zu dem entgegengesetzten Irrtum getrieben. Sie sehen,
daß die Heilige Schrift Gott als ein Wesen der Liebe und des Erbarmens
darstellt, und sie können nicht glauben, daß er seine Geschöpfe dem Feuer
einer ewig brennenden Hölle überlassen werde. Aber durch den Glauben, daß die
Seele an und für sich unsterblich sei, kommen sie zu dem Schluß, daß alle
Menschen schließlich gerettet werden. Sie betrachten die Drohungen der Bibel
als nur dazu bestimmt, die Menschen durch Furcht zum Gehorsam zu bringen, aber
nicht, um buchstäblich erfüllt zu werden. Auf diese Weise kann der Sünder in
selbstsüchtigem Vergnügen dahinleben, die Anforderungen Gottes mißachten und
doch erwarten, schließlich in Gnaden angenommen zu werden. Eine solche Lehre,
die auf Gottes Gnade pocht, aber seine Gerechtigkeit unbeachtet läßt, gefällt
dem fleischlichen Herzen und erdreistet die Gottlosen in ihrer Ungerechtigkeit.
Um
zu zeigen, wie die an eine allgemeine Erlösung Glaubenden die Bibel verdrehen,
um ihre seelenverderbenden Glaubenssätze
zu unterstützen, braucht man nur ihre eigenen Aussprüche anzuführen. Beim
Begräbnis eines nicht religiösen jungen Mannes, der durch einen Unfall plötzlich
getötet worden war, wählte ein universalistischer Geistlicher zu seinem Text
die Aussage der Bibel betreffs Davids Fall: „Er hatte sich getröstet über
Amnon, daß er tot war.“ (2. Sam. 13, 39.)
„
Man fragt mich häufig,“ sagte der Redner, „was das Schicksal jener sein
werde, welche in Sünden die Welt verlassen; vielleicht in einem Zustand der
Trunkenheit sterben; abscheiden mit den unabgewaschenen Scharlachflecken des
Verbrechens an ihren Kleidern oder dahinfahren wie dieser junge Mann, ohne je
nach Religion gefragt oder ihren Segen erfahren zu haben. Wir sind zufrieden mit
der Heiligen Schrift; ihre Antwort soll die schwierige Aufgabe lösen. Amnon war
überaus sündig; er war unbußfertig, er wurde trunken gemacht und in dem
Zustand umgebracht. David war ein Prophet Gottes; er muß gewußt haben, ob
Amnon in der zukünftigen Welt es böse oder gut haben werde. Welches waren die
Ausdrücke seines Herzens? ’Und es verlangte den König David hinauszuziehen
zu Absalom; denn er hatte sich getröstet über Amnon, daß er tot war.’
Welchen
Schluß können wir aus diesen Worten ziehen? Ist es nicht dieser, daß die
endlose Qual keinen Teil seines religiösen Glaubens ausmachte? So erachten wir;
und hier entdecken wir einen trefflichen Beweis als Stütze der angenehmen,
erleuchtenden, wohltätigen Annahme von einer schließlichen allgemeinen
Reinheit und einem dauernden Frieden. Er war getröstet darüber, daß sein Sohn
tot war. Und warum? Weil sein prophetisches Auge vorwärts in die herrliche
Zukunft blicken und den Sohn sehen konnte, der, nachdem er, von allen
Versuchungen weit entfernt, der Knechtschaft entbunden, von der Verderbtheit der
Sünde gereinigt, hinreichend geheiligt und erleuchtet worden war und in die
Versammlung aufgefahrener, frohlockender Geister aufgenommen wurde. Sein
einziger Trost war, daß sein geliebter Sohn durch die Entrückung aus dem
gegenwärtigen Zustand der Sünde und des Leidens dorthin versetzt sei, wo die
erhabensten Einflüsse des Heiligen Geistes sich in seine verfinsterte Seele
ergießen würden, wo sein Gemüt der Weisheit des Himmels und dem süßen Entzücken
unsterblicher Liebe geöffnet würde und er auf diese Weise heilig geworden, die
Ruhe und die Gesellschaft des himmlischen Erbes genießen könnte.
In
diesem Gedanken möchten wir verstanden werden, daß wir glauben, die Seligkeit
des Himmels hänge von nichts ab, was wir in diesem Leben tun können, weder von
einer gegenwärtigen Veränderung des Herzens noch von dem jetzigen Glauben oder
einem gegenwärtigen Religionsbekenntnis.“
Auf diese Weise wiederholte der vorgebliche Diener Christi die von der Schlange im Paradies ausgesprochene Lüge: „Ihr werdet mitnichten des Todes sterben.“ „Welches Tages ihr davon esset, so werden eure Augen aufgetan und werdet sein wie Gott.“ Er erklärt, daß der gröbste Sünder, ein Mörder, Dieb und Ehebrecher, nach dem Tode vorbereitet werde, um in unsterbliche Wonne einzugehen.
Und
woraus zieht dieser Verdreher der Heiligen Schrift seine Schlüsse? Aus dem
einzigen Satz, der Davids Unterwerfung unter die Fügung der Vorsehung ausdrückt.
„David hörte auf auszuziehen wider Absalom; denn er hatte sich getröstet über
Amnon, daß er tot war.“ Nachdem die Heftigkeit seines Schmerzes mit der Zeit
gelindert worden war, wandten sich seine Gedanken von dem toten zu dem
lebendigen Sohn, der sich aus Furcht vor der gerechten Strafe seines Verbrechens
selbst verbannt hatte. Und dies ist der Beweis, daß der blutschänderische,
betrunkene Amnon unmittelbar nach dem Tode nach dem Ort der Wonne entrückt
wurde, um dort gereinigt und zubereitet zu werden für die Gemeinschaft sündloser
Engel! Eine angenehme Fabel, in der Tat wohl geeignet, das fleischliche Herz zu
befriedigen! Dies ist Satans eigene Lehre, und sie verrichtet erfolgreich sein
Werk. Sollten wir uns wundern, daß bei solcher Belehrung die Gottlosigkeit überhandnimmt?
Das
Verfahren dieses einen falschen Lehrers veranschaulicht das vieler anderer. Einige
wenige Worte der Heiligen Schrift werden aus dem Zusammenhang, der in vielen Fällen
zeigen würde, daß der Sinn gerade der entgegengesetzte ist, herausgerissen,
und diese zerstückelten Stellen werden verdreht und zu Beweisen von Lehren
gebraucht, die in dem Worte Gottes keine Begründung haben. Das als Beweis
angeführte Zeugnis, daß der trunkene Amnon im Himmel sei, ist ein bloßer
Trugschluß, dem die deutliche und bestimmte Erklärung der Heiligen Schrift, daß
kein Trunkenbold das Reich Gottes ererben kann (l. Kor. 6, 10), direkt
widerspricht. Auf diese Weise verwandeln Zweifler, Ungläubige und Skeptiker die
Wahrheit Gottes in eine Lüge, und viele sind durch ihre Trugschlüsse getäuscht
und in der Wiege fleischlicher Sicherheit eingeschläfert worden.
Wenn
es wahr wäre, daß die Seelen aller Menschen bei der Auflösung sofort in den
Himmel gingen, dann möchten wir wohl eher den Tod begehren als das Leben.. Viele
sind durch diesen Glauben dazu verleitet worden, ihrem Dasein ein Ende zu
machen. Wenn von Sorgen, Schwierigkeiten und Enttäuschungen überwältigt,
scheint es ein Leichtes zu sein, den schwachen Lebensfaden zu zerreißen und
sich zur Wonne der ewigen Welt aufzuschwingen.
Gott hat in seinem Wort klare Beweise gegeben, daß er die Übertreter
seines Gesetzes strafen will. Wer annimmt, daß Gott zu barmherzig sei, um an
dem Sünder Gerechtigkeit zu üben, braucht nur auf das Kreuz auf Golgatha zu
schauen. Der Tod des
unbefleckten Sohnes Gottes bezeugt, daß der Tod der Sünde Sold ist, und jede
Übertretung des Gesetzes Gottes muß ihre gerechte Vergeltung erfahren.
Christus, der Sündenfreie, wurde zur Sünde gemacht um des Menschen willen. Er
trug die Schuld der Übertretung, seines Vaters Angesicht wurde vor ihm verhüllt,
bis sein Herz brach und das Leben in ihm erstickte. Dies Opfer wurde gebracht,
damit Sünder erlöst werden könnten. Auf keine andere Weise war es möglich,
den Menschen von der Strafe der Sünde zu befreien. Und jede Seele, die sich
weigert, an der so teuer erkauften Versöhnung teilzuhaben, muß in eigener
Person die Schuld und Strafe der Übertretung tragen.
Wir
wollen betrachten, was die Bibel weiter über die Gottlosen und Unbußfertigen
lehrt, welche der Universalist als heilige, glückliche Engel in den Himmel
versetzt.
„Ich
will dem Durstigen geben von dem Brunnen des lebendigen Wassers umsonst.“
Diese Verheißung gilt nur denen, die dürsten. Nur die, welche ihr Bedürfnis
nach dem Wasser des Lebens fühlen und es unter allen Umständen suchen, werden
damit versehen werden. „Wer überwindet, der wird es alles ererben, und ich
werde sein Gott sein, und er wird mein Sohn sein.“ (Offb. 21, 6. 7.) Hier
werden ebenfalls Bedingungen aufgestellt. Um alles zu ererben, müssen wir der Sünde
widerstehen und sie überwinden.
Der
Herr erklärt durch den Propheten Jesaja: „Prediget von den Gerechten, daß
sie es gut haben.“ „Weh aber den Gottlosen! denn sie haben es übel und es
wird ihnen vergolten werden, wie sie es verdienen.“ (Jes. 3, 10. 11.) „Ob
ein Sünder hundertmal Böses tut und lange lebt, so weiß ich doch, daß es
wohl gehen wird denen, die Gott fürchten, die sein Angesicht scheuen. Aber dem
Gottlosen wird es nicht wohlgehen,“ sagt der weise Mann (Pred. 8, 12. 13). Und
Paulus bezeugt, daß der Gottlose sich selber aufhäufe „Zorn auf den Tag des
Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes, welcher geben wird
einem jeglichen nach seinen Werken“; „denen, die da zänkisch sind und der
Wahrheit nicht gehorchen, gehorchen aber der Ungerechtigkeit, Ungnade und
Zorn.“ (Röm. 2, 5. 6. 8.)
„Kein
Hurer oder Unreiner oder Geiziger, welcher ist ein Götzendiener, hat Erbe in
dem Reich Christi und Gottes.“ (Eph. 5, 5.) „Jaget nach dem Frieden gegen
jedermann und der Heiligung, ohne welche wird niemand den Herrn sehen.“ (Hebr.
12, 14.) „Selig sind, die seine Gebote halten, auf daß sie Macht haben an dem
Holz des Lebens und zu den Toren eingehen in die Stadt. Denn draußen sind die
Hunde und die Zauberer und die Hurer und die Totschläger und die Abgöttischen
und alle, die liebhaben und tun die Lüge.“ (Offb. 22, 14. 15.)
Gott
hat den Menschen eine Beschreibung seines Charakters und seiner Verfahrensweise
mit der Sünde gegeben: „Herr, Herr, Gott, barmherzig und gnädig und geduldig
und von großer Gnade und Treue; der da bewahrt Gnade in tausend Glieder und
vergibt Missetat, Übertretung und Sünde, und vor welchem niemand unschuldig
ist.“ (2. Mose 34, 6. 7.) „Der Herr... wird vertilgen alle Gottlosen.“
„Die Übertreter werden vertilgt miteinander, und die Gottlosen werden zuletzt
ausgerottet.“ (Ps. 145, 20; 37, 38.) Wohl
werden die Macht und Autorität der göttlichen Regierung zur Unterdrückung der
Empörung angewandt; und doch werden alle Kundgebungen der vergeltenden
Gerechtigkeit vollkommen übereinstimmen mit dem Charakter Gottes als eines
barmherzigen, langmütigen, wohlwollenden Wesens.
Gott
zwingt niemandes Willen oder Urteil. Er hat keinen Gefallen an sklavischem
Gehorsam. Er wünscht, daß die Geschöpfe seiner Hände ihn lieben, weil er der
Liebe wert ist. Er will, daß sie ihm gehorchen, weil sie seine Weisheit,
Gerechtigkeit und Großmut würdigen können. Und die einen richtigen Begriff
von diesen Eigenschaften haben, werden ihn lieben, weil sie in Bewunderung
seines Charakters zu ihm gezogen werden.
Die
Grundsätze der Freundlichkeit, Barmherzigkeit und Liebe, wie sie von unserem
Heiland gelehrt und ausgelebt wurden, sind ein Abbild des Willens und Charakters
Gottes. Christus erklärt, daß er nichts gelehrt habe, als was er von seinem
Vater empfangen hatte. Die Grundsätze der göttlichen Regierung sind in
vollkommener Übereinstimmung mit der Lehre des Heilandes: „Liebet eure
Feinde.“ Gott läßt Gerechtigkeit
ergehen über die Bösen zum Besten des Weltalls und selbst zum Besten derer,
die von seinen Gerichten heimgesucht werden. Er würde sie glücklich machen,
wenn er dies in Übereinstimmung mit den Gesetzen seiner Regierung und der
Gerechtigkeit seines Charakters tun könnte. Er umgibt sie mit Zeichen seiner
Liebe, er schenkt ihnen die Kenntnis seines Gesetzes und geht ihnen nach mit dem
Anerbieten seiner Gnade; aber sie verachten seine Liebe, übertreten sein Gesetz
und verwerfen seine Gnade. Während sie beständig seine Gaben empfangen,
entehren sie den Geber; sie hassen Gott, weil sie wissen, daß er ihre Sünden
verabscheut. Der Herr hat lange Geduld mit ihrer Verkehrtheit; aber die Stunde
wird doch einmal kommen, wann ihr Schicksal entschieden werden muß. Wird er
dann diese Empörer an sich ketten? Wird er sie zwingen, seinen Willen zu tun?
Seelen,
die Satan zu ihrem Führer erwählten und sich von seiner Macht haben
beherrschen lassen, sind nicht vorbereitet, in die Gegenwart Gottes zu treten.
Stolz, Trug, Ausschweifung, Grausamkeit haben sich in ihrem Herzen eingewurzelt.
Könnten sie in den Himmel eingehen, um ewig mit jenen zusammenzuleben, die sie
auf Erden verachteten und haßten? Die Wahrheit wird einem Lügner nie angenehm
sein; Sanftmut kann Eigendünkel und Stolz nicht befriedigen; Reinheit wird von
dem Verderbten nicht angenommen und selbstlose Liebe erscheint dem Selbstsüchtigen
nicht anziehend. Welche Freuden vermöchte der Himmel denen zu bieten, die von
irdischen und selbstsüchtigen Beweggründen ganz und gar in Anspruch genommen
sind?
Könnten
die Menschen, die ihr Leben in Empörung gegen Gott zugebracht haben, plötzlich
in den Himmel versetzt werden und den hohen und heiligen Zustand der
Vollkommenheit, der stets dort herrscht, ertragen, wo jede Seele mit Liebe erfüllt
ist, jedes Angesicht vor Freude strahlt; wo entzückende Musik in klangvollen
Weisen zur Ehre Gottes und des Lammes aufsteigt und auf die Erlösten sich
unaufhörliche Ströme des Lichtes ergießen, die ausgehen vom Angesichte
dessen, der auf dem Stuhl sitzt? Könnten Seelen, deren Herzen mit Haß gegen
Gott, gegen Wahrheit und Heiligkeit erfüllt sind, sich unter die himmlische
Schar mischen und in ihren Lobgesang mit einstimmen? Könnten sie die
Herrlichkeit Gottes und des Lammes ertragen? Nein nein! Ihnen wurden Jahre der
Gnadenzeit gewährt, um einen Charakter für den Himmel heranzubilden; aber sie
haben sich nie darin geübt, das Reine zu lieben, haben niemals die Sprache des
Himmels gelernt - und nun ist es zu spät. Ein
Leben der Empörung gegen Gott hat sie für den Himmel untauglich gemacht. Seine
Reinheit, seine Heiligkeit und sein Friede würden ihnen eine Qual, die
Herrlichkeit Gottes würde ein verzehrendes Feuer sein. Sie würden sich danach
sehnen, von jenem heiligen Orte zu fliehen. Sie würden den Untergang willkommen
heißen, auf daß sie vor dem Angesichte dessen, der starb, um sie zu erlösen,
verborgen sein möchten. Das Schicksal der Gottlosen wird durch ihre eigene Wahl
besiegelt. Ihr Ausschluß vom Himmel ist ihrerseits freiwillig und seitens
Gottes gerecht und barmherzig.
Gleich den Wassern der Sintflut erklären die Feuer des großen Tages das
Urteil Gottes, daß die Gottlosen unheilbar sind.
Sie wollen sich der göttlichen Autorität nicht unterwerfen. Ihr Wille
hat sich in Empörung geübt, und wenn das Leben zu Ende ist, wird es zu spät
sein, den Lauf ihrer Gedanken nach der entgegengesetzten Richtung zu lenken, zu
spät, um sich von der Übertretung zum Gehorsam und vom Haß zur Liebe zu
wenden.
Dadurch,
daß Gott Kain, den Mörder, am Leben erhielt, zeigte er der Welt, was die Folge
ist, wenn der Sünder am Leben bleibt und seinen Wandel in ungezügelter
Gottlosigkeit weiterführt. Durch den Einfluß von Kains Lehren und Beispiel
wurden Tausende seiner Nachkommen zur Sünde verleitet, bis „des Menschen
Bosheit groß war auf Erden, und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse
war immerdar.“ „Die Erde war verderbt vor Gottes Augen und voll Frevels.“
(l. Mose 6, 5. 11.)
Aus
Barmherzigkeit gegen die Welt vertilgte Gott ihre verderbten Bewohner zur Zeit
Noahs. Aus Barmherzigkeit vernichtete er die gottlosen Einwohner Sodoms. Durch
die trügerische Macht Satans erlangen die Übeltäter Mitgefühl und
Bewunderung und führen dadurch beständig andere zur Empörung. So war es in
Kains und in Noahs Tagen, zur Zeit Abrahams und Lots; so ist es auch jetzt. Aus
Erbarmen mit dem Weltall wird Gott schließlich die Verwerfer seiner Gnade
umbringen.
„Der Tod ist der Sünde Sold; aber die Gabe Gottes ist das ewige Leben in Christo Jesu, unserm Herrn.“ (Röm. 6, 23 .) Während das Leben das Erbe der Gerechten ist, ist der Tod das Teil der Gottlosen. Mose erklärt Israel: „Siehe, ich habe dir heute vorgelegt das Leben und das Gute, den Tod und das Böse.“ (5. Mose 30, 15.) Der in dieser Schriftstelle erwähnte Tod ist nicht der über Adam ausgesprochene, denn alle Menschen erleiden die Strafe der Übertretung, sondern es ist der „zweite Tod,“ der dem unvergänglichen Leben gegenübergestellt wird.
Der Tod ist infolge der Sünde Adams auf das ganze menschliche Geschlecht
gekommen. Alle ohne Unterschied sinken ins Grab.
Und durch die Vorkehrung des Erlösungsplanes werden alle wieder aus ihren Gräbern
hervorgebracht werden. Es gibt eine zukünftige „Auferstehung der Toten, der
Gerechten und Ungerechten.“ (Apg. 24, 15.) „Denn gleichwie sie in Adam alle
sterben, also werden sie in Christo alle lebendig gemacht werden.“ (1.
Kor. 15, 22.) Dennoch wird ein Unterschied bestehen zwischen den beiden Klassen,
die hervorgehen werden. „Alle, die in den Gräbern sind, werden seine Stimme hören,
und werden hervorgehen, die da Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens,
die aber Übles getan haben, zur Auferstehung des Gerichts.“ (Joh. 5, 28. 29.)
Die der Auferstehung des Lebens würdig erfunden wurden, sind „selig und
heilig.“ „Über solche hat der andere Tod keine Macht.“ (Offb. 20, 6.) Die
Seelen hingegen, die nicht durch Buße und Glauben Vergebung erlangt haben, müssen
die Strafe für ihre Übertretung, „der Sünde Sold,“ erdulden. Sie erleiden
Qual, unterschiedlich in Dauer und Grad, „nach ihren Werken,“ die mit dem
andern Tod endet. Da es Gott in Übereinstimmung mit seiner Gerechtigkeit und
Gnade unmöglich ist, den Sünder in seinen Sünden zu erretten, nimmt er ihm
das Dasein, welches er durch seine Übertretungen verwirkt hat und dessen er
sich unwürdig erwies. Ein inspirierter Schreiber sagt: „Es ist noch um ein
kleines, so ist der Gottlose nimmer; und wenn du nach seiner Stätte sehen
wirst, wird er weg sein.“ (Ps. 37, 10.) Ein anderer erklärt, sie „sollen
sein als wären sie nie gewesen.“ (Obadja 16.) Mit Schande bedeckt versinken
sie in hoffnungslose ewige Vergessenheit.
So
wird der Sünde mit allem Weh und Verderben, die aus ihr hervorgegangen sind,
ein Ende gemacht. Der Psalmist sagt: „Du... bringst die Gottlosen um; ihren
Namen vertilgst du immer und ewiglich... Ihr Gedächtnis ist umgekommen samt
ihnen.“ (Ps . 9, 6. 7.) In der Offenbarung hört Johannes, indem er auf den
zukünftigen ewigen Zustand hinblickt, einen allgemeinen Lobgesang, der von
keinem einzigen Mißklang gestört wird. Jede Kreatur im Himmel und auf Erden
gibt Gott die Ehre. (Offb. 5, 13.) Es gibt keine verlorenen Seelen mehr, die Gott lästern, während sie
sich unter ihren Qualen krümmen; keine elenden Wesen der Hölle werden ihre
Schreie mit den Gesängen der Erlösten vermischen.
Auf dem Grundirrtum der natürlichen Unsterblichkeit ruht die Lehre von dem Bewußtsein im Tode - eine Lehre, welche gleich der von der ewigen Qual den Aussprüchen der Heiligen Schrift, den Eingebungen der Vernunft und unseren Gefühlen von Menschlichkeit widersteht. Nach dem volkstümlichen Glauben sind die Erlösten im Himmel mit allem bekannt, was auf Erden stattfindet, besonders mit dem Leben der Freunde, welche sie zurückgelassen haben. Wie könnte es aber für die Toten eine Quelle der Glückseligkeit sein, die Widerwärtigkeiten der Lebenden zu kennen, die von ihren Geliebten begangenen Sünden wahrzunehmen und zu sehen, wie sie Leiden, Enttäuschungen und Sorgen des Lebens erdulden? Wieviel würden jene, deren Gedanken bei ihren Freunden auf Erden verweilen, von der Wonne des Himmels genießen? Und wie äußerst empörend ist ferner der Glaube, daß, sobald der Odem den Leib verläßt, die Seele des Unbußfertigen sofort den Flammen der Hölle übergeben werde! Welche große Angst müßten die Seelen erleiden, welche ihre Freunde unvorbereitet ins Grab sinken sehen, um eine Ewigkeit von Weh und Sünde anzutreten! Viele sind durch diesen qualvollen Gedanken zum Wahnsinn getrieben worden.
Was sagt die Heilige Schrift über diese Dinge? David erklärt, daß der Mensch im Tode nicht bewußt ist: „Des Menschen Geist muß davon, und er muß wieder zu Erde werden; alsdann sind verloren alle seine Anschläge.“ (Ps. 146, 4.) Salomo legt dasselbe Zeugnis ab: „Denn die Lebendigen wissen, daß sie sterben werden; die Toten aber wissen nichts, sie haben auch keinen Lohn mehr - denn ihr Gedächtnis ist vergessen, daß man sie nicht mehr liebt noch haßt noch neidet - und haben kein Teil mehr auf der Welt an allem, was unter der Sonne geschieht.“ „Denn bei den Toten, dahin du fährst, ist weder Werk, Kunst, Vernunft noch Weisheit.“ (Pred. 9, 5. 6. 10.)
Als
Hiskias Leben in Antwort auf sein Gebet um fünfzehn Jahre verlängert wurde,
huldigte der dankbare König Gott mit Lob und Preis für seine große
Barmherzigkeit. In diesem Lobgesang gibt er den Grund seiner Freude an: „Denn
die Hölle lobt dich nicht, so rühmt dich der Tod nicht, und die in die Grube
fahren, warten nicht auf deine Wahrheit; sondern allein, die da leben, loben
dich, wie ich jetzt tue.“ (Jes. 38, 18. 19.) Die volkstümliche Theologie
stellt die gerechten Toten als im Himmel befindlich dar, wo sie, in Wonne
lebend, Gott mit unsterblicher Zunge preisen; aber Hiskia konnte im Tode keine
solche herrliche Aussicht erblicken. Mit seinen Worten stimmt das Zeugnis des
Psalmisten überein: „Denn im Tode gedenkt man dein nicht; wer will dir bei
den Toten danken?“ „Die Toten werden dich, Herr, nicht loben, noch die
hinunter fahren in die Stille.“ (Ps. 6, 6; 115, 17.)
Petrus
sagte am Tage der Pfingsten von dem Erzvater David: „Er ist gestorben und
begraben, und sein Grab ist bei uns bis auf diesen Tag.“ „Denn David ist
nicht gen Himmel gefahren.“ (Apg. 2, 29. 34.) Daß David im Grab bleibt bis
zur Auferstehung, beweist, daß die Gerechten beim Tode nicht in den Himmel
gehen. Nur durch die Auferstehung und kraft der Tatsache, daß Christus
auferstanden ist, kann David schließlich zur Rechten Gottes sitzen.
Paulus erklärte: „Denn so die Toten nicht auferstehen, so ist Christus auch nicht auferstanden. Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube eitel, so seid ihr noch in euren Sünden. So sind auch die, so in Christo entschlafen sind, verloren.“ (l. Kor. 15, 16-18.) Wären 4000 Jahre lang die Gerechten beim Tode sofort in den Himmel gekommen, wie hätte Paulus dann sagen können, daß, wenn es keine Auferstehung gäbe, „auch die, so in Christo entschlafen sind, verloren“ seien? Es würde dann überhaupt keine Auferstehung nötig sein.
Der
Märtyrer Tyndale erklärt über den Zustand der Toten: „Ich gestehe frei, daß
ich nicht davon überzeugt bin, daß sie schon in der Herrlichkeit leben, wie
Christus und die erwählten Engel Gottes. Auch ist diese Lehre kein Artikel
meines Glaubensbekenntnisses; denn wenn dem so wäre, so erachte ich die Predigt
von der Auferstehung des Leibes als ganz vergeblich.“ (Vorwort zum Neuen
Test., 1534.)
Es
ist eine unleugbare Tatsache, daß die Hoffnung, bei dem Tode sofort in eine
unsterbliche Glückseligkeit versetzt zu werden, zu einer weitverbreiteten
Vernachlässigung der biblischen Lehre über die Auferstehung geführt hat. Dr.
Adam Clarke bemerkte dies und sagte: „Die Auferstehungslehre scheint unter den
ersten Christen von weit größerer Wichtigkeit erachtet worden zu sein als sie heute ist! Wie kommt dies? Die Apostel betonten sie beständig und
ermahnten durch sie die Gotteskinder zum Fleiß, Gehorsam und Freudigkeit. Und
ihre Nachfolger in der Gegenwart erwähnen sie nur selten! So predigten die
Apostel und so glaubten die ersten Christen; so predigen wir und so glauben
unsere Zuhörer. Es gibt keine Lehre in dem Evangelium, auf welche mehr
Nachdruck gelegt wird, und es findet sich keine Lehre in der gegenwärtigen
Predigtweise, die mehr vernachlässigt wird.“ (Auslegung des Neuen Test. über
1. Kor. 15.)
Dies hat fortgefahren, bis die herrliche Wahrheit von der Auferstehung beinahe gänzlich verdunkelt und von der christlichen Welt fast ganz aus den Augen verloren worden ist. Ein hervorragender religiöser Schriftsteller sagt in seinen Anmerkungen zu den Worten Paulus in 1. Thess. 4, 13-18: „Für alle praktischen Zwecke des Trostes nimmt die Lehre von der seligen Unsterblichkeit der Gerechten für uns die Stelle irgendeiner zweifelhaften Lehre von dem zweiten Kommen Christi ein. Bei unserem Tode kommt der Herr für uns. Darauf sollen wir harren, dafür wachen. Die Toten sind bereits in die Herrlichkeit eingegangen. Sie warten nicht auf die Posaune, ihr Urteil und ihre Seligkeit zu erlangen.“
Aber
als Jesu im Begriff stand, seine Jünger zu verlassen, sagte er ihnen nicht, daß
sie bald zu ihm kommen würden. „Ich gehe hin,“ sagte er, „euch die Stätte
zu bereiten. Und wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, so will ich
wiederkommen und euch zu mir nehmen.“ (Joh. 14, 2. 3.) Und Paulus sagt uns
weiter: „Er selbst, der Herr, wird mit einem Feldgeschrei und der Stimme des
Erzengels und mit der Posaune Gottes hernieder kommen vom Himmel, und die Toten
in Christo werden auferstehen zuerst. Darnach wir, die wir leben und überbleiben,
werden zugleich mit ihnen hingerückt werden in den Wolken dem Herrn entgegen in
der Luft, und werden also bei dem Herrn sein allezeit.“ Und er fügt hinzu:
„So tröstet euch nun mit diesen Worten untereinander.“ (l. Thess. 4,
16-18.) Wie groß der Unterschied zwischen diesen Worten des Trostes und jenen
des vorhin angeführten Universalistenpredigers! Dieser tröstete die trauernden
Freunde mit der Versicherung, daß, wie sündig der Tote auch gewesen sein möge,
er doch, sobald er sein Leben hier ausgehaucht habe, unter die Engel aufgenommen
würde. Paulus weist seine Brüder auf das zukünftige Kommen des Herrn hin,
wenn die Fesseln des Grabes gebrochen und „die Toten in Christo“ zum ewigen
Leben auferweckt werden sollen.
Bevor irgendwelche Seelen die Wohnungen der Seligen betreten können, müssen ihre Fälle untersucht, ihre Charaktere und Werke von Gott besichtigt werden. Alle werden nach den in den Büchern geschriebenen Berichten gerichtet, alle werden belohnt, je nachdem ihre Werke gewesen sind. Dies Gericht findet nicht beim Tode statt. Man beachte Paulus Worte: „Darum, daß er einen Tag gesetzt hat, auf welchen er richten will den Kreis des Erdbodens mit Gerechtigkeit durch einen Mann, in welchem er’s beschlossen hat, und jedermann vorhält den Glauben, nachdem er ihn hat von den Toten auferweckt.“ (Apg. 17, 31.) Hier erklärt der Apostel deutlich, daß das Gericht damals noch zukünftig war.
Judas
verweist auf denselben Zeitpunkt: „Die Engel, die ihr Fürstentum nicht
bewahrten, sondern verließen ihre Behausung, hat er behalten zum Gerichte des
großen Tages mit ewigen Banden in Finsternis.“ Und ferner führt er die Worte
Henochs an: „Siehe, der Herr kommt mit vielen tausend Heiligen, Gericht zu
halten über alle.“ (Judas 6. 14. 15.) Johannes erklärt, daß er „sah die
Toten, beide, groß und klein, stehen vor Gott... Und die Toten wurden gerichtet
nach der Schrift in den Büchern, nach ihren Werken.“ (Offb. 20, 12.)
Wenn sich aber die Toten bereits der Wonne des Himmels erfreuen oder sich in
den Flammen der Hölle winden, wozu ist dann noch ein künftiges Gericht
notwendig? Die Lehren des Wortes Gottes über diese wichtigen Punkte sind weder
dunkel noch widersprechend; sie können von gewöhnlichen Leuten verstanden werden. Welches aufrichtige
Gemüt kann aber in der gangbaren Lehre Weisheit oder Gerechtigkeit sehen?
Sollen die Gerechten nach der Untersuchung ihrer Fälle im Gericht das Lob
empfangen: „Ei, du frommer und getreuer Knecht, ... gehe ein zu deines Herrn
Freude“ (Matth. 25, 21), wenn sie vielleicht schon jahrhundertelang in seiner
Gegenwart verweilt haben? Sollen die Gottlosen von dem Ort der Qual weggerufen
werden, um von dem Richter der ganzen Erde das Urteil zu vernehmen: „Gehet hin
von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer“? (Matth. 25, 41.) Welch ein
Spott! Eine schändliche Anklage der Weisheit und Gerechtigkeit Gottes!
Die Theorie von der Unsterblichkeit der Seele war eine der falschen Lehren,
welche Rom dem Heidentum entlehnte und der Religion des Christentums
einverleibte. Martin
Luther reihte sie „den zahllosen Ausgeburten des römischen Misthaufens der
Dekretalen an.“ (Petavel, Die Unsterblichkeitsfrage, S. 255.) In seinen
Anmerkungen zu den Worten Salomos im Prediger, daß die Toten nichts wissen,
sagt der Reformator: „Ein weiterer Beweis, daß die Toten bewußtlos sind.
Salomo denkt deshalb, die Toten schliefen gänzlich, und dächten an nichts. Sie
liegen, ohne Tage oder Jahre zu rechnen, doch wenn sie aufwachen, wird es ihnen
vorkommen, als ob sie nur einen Augenblick geschlafen hätten.“ (Luthers
Werke, St. L., Bd. 5, S. 1535 f.)
Nirgends in der Heiligen Schrift ist die Erklärung zu finden, daß die Gerechten ihre Belohnung oder die Gottlosen ihre Strafe beim Tode erhalten. Die Erzväter und Propheten haben keine solche Versicherung hinterlassen. Christus und seine Apostel haben keine Andeutung davon gegeben. Die Bibel lehrt deutlich, daß die Toten nicht unmittelbar in den Himmel gehen, sondern bis zur Auferstehung schlafen. (l. Thess. 4, 14; Hiob 14, 10-12.) An demselben Tage, wo der silberne Strick wegkommt, und die goldene Schale zerbricht (Pred. 12, 6), werden des Menschen Gedanken zunichte. Die in das Grab hinunter fahren, verharren in Stillschweigen. Sie wissen nichts mehr von allem, was unter der Sonne geschieht. (Hiob 14, 21.) Selige Ruhe für die müden Gerechten! Die Zeit, sei sie kurz oder lang, ist nur ein Augenblick für sie! Sie entschlafen und werden durch die Posaune Gottes zu einer herrlichen Unsterblichkeit auferweckt. „Denn es wird die Posaune schallen, und die Toten werden auferstehen unverweslich. ... Wenn aber dies Verwesliche wird anziehen die Unverweslichkeit, und die Sterbliche wird anziehen die Unsterblichkeit, dann wird erfüllt werden das Wort, das geschrieben steht: Der Tod ist verschlungen in den Sieg.“ (l. Kor. 15, 52-55.) Wenn sie aus ihrem tiefen Schlummer herausgerufen werden, fangen sie gerade da an zu denken, wo sie seiner Zeit aufhörten. Das letzte Gefühl war die Todesangst, der letzte Gedanke, daß sie der Macht des Grabes anheimfielen. Wenn sie aus der Gruft auferstehen, wird ihr erster froher Gedanke in dem frohlockenden Ruf widerhallen: „Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?“ (l. Kor. 15, 55.)