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Warum gibt es das Böse überhaupt? Hier lesen Sie eines der mitreißendsten
Kapitel in diesem Buch, erkennen, wie die Sünde begann.
Obwohl umgeben von ständiger
Selbstlosigkeit kam Selbstsucht auf - eine Veränderung, die einen Engel des
Lichts in einen Teufel verwandelte.
Vielen Seelen ist der Ursprung der Sünde und der Grund für deren Dasein eine Quelle großer Unruhe. Sie sehen das Werk der Sünde mit seinen schrecklichen Folgen von Weh und Verwüstung, und sie fragen sich, wie dies alles unter der Herrschaft dessen bestehen kann, der unendlich an Weisheit, an Macht und an Liebe ist. Hier ist ein Geheimnis, das sie nicht zu ergründen vermögen. Und in ihrer Ungewißheit und ihrem Zweifel sind sie blind gegen die so deutlich in Gottes Wort offenbarten und zur Seligkeit so wesentlichen Wahrheiten. Es gibt Menschen, die in ihrem Forschen über das Dasein der Sünde in das zu dringen suchen, was Gott nie offenbart hat, und daher finden sie auch keine Lösung ihrer Schwierigkeiten; und solche, welche dann einen Hang zum Zweifeln oder zur Krittelei haben, ergreifen dies als eine Entschuldigung, die Worte der Heiligen Schrift zu verwerfen. Andere ermangeln eines befriedigenden, Verständnisses der großen Frage über die Sünde, weil Überlieferungen und falsche Auslegungen die Lehren der Bibel über den Charakter Gottes, die Art und Weise seiner Regierung und die Grundsätze seines Verfahrens mit der Sünde verdunkelt haben.
Es ist unmöglich, den Ursprung der Sünde so zu erklären, daß dadurch ein
Grund für ihr Dasein gegeben würde. Doch kann genug von dem Ursprung und dem
schließlichen Schicksal der Sünde verstanden werden, um die Gerechtigkeit und
Güte Gottes in all seinem Verfahren mit dem Bösen völlig zu offenbaren.
Nichts lehrt die Heilige Schrift deutlicher, als daß Gott in keiner Hinsicht für
das Eindringen der Sünde verantwortlich war, und daß weder ein willkürliches
Entziehen der göttlichen Gnade noch eine Unvollkommenheit in der göttlichen
Regierung Anlaß zum Entstehen einer Empörung gab. Die Sünde ist ein
Eindringling, für dessen Erscheinen keine Ursache angegeben werden kann. Sie
ist geheimnisvoll, unerklärlich; sie zu entschuldigen, hieße sie verteidigen. Könnte
eine Entschuldigung für sie gefunden oder ein Grund für ihr Dasein aufgewiesen
werden, so würde sie aufhören, Sünde zu sein. Unsere einzige Auslegung von
der Sünde ist die in dem Worte Gottes gegebene, sie ist „die Übertretung des
Gesetzes“; sie ist die Ausübung eines Grundsatzes, der in Feindschaft steht
mit dem großen Gesetz der Liebe, welches die Grundlage der göttlichen
Regierung bildet.
Ehe das Böse Eingang fand, waltete Friede und Freude im ganzen Weltall.
Alles stand in vollkommener Übereinstimmung mit dem Willen des Schöpfers. Die
Liebe zu Gott war über alles erhaben, die Liebe zueinander unparteiisch.
Christus, das Wort, der eingeborene Sohn Gottes, war eins mit dem ewigen Vater -
eins in Natur, in Charakter und im Vorhaben - das einzige Wesen im ganzen
Weltall, welches mit allen Ratschlüssen und Absichten Gottes vollkommen
vertraut war. Durch
Christum wirkte der Vater in der Erschaffung aller himmlischen Wesen. „Durch
ihn ist alles geschaffen, das im Himmel... ist, das Sichtbare und Unsichtbare,
es seien Throne oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Obrigkeiten“ (Kol.
1, 16); und Christo samt dem Vater gelobte der ganze Himmel Treue und Gehorsam.
Da das Gesetz der Liebe die Grundlage der Regierung Gottes war, so hing die Glückseligkeit aller erschaffenen Wesen von ihrer vollkommenen Übereinstimmung mit den großen Grundsätzen der Gerechtigkeit ab. Gott sieht bei allen seinen Geschöpfen auf den Dienst der Liebe, auf eine Huldigung, die einer vernunftgemäßen Wertschätzung seines Charakters entspringt. Ihm gefällt keine erzwungene Treue, und er verleiht allen Wesen Willensfreiheit, damit sie ihm einen freiwilligen Dienst darbringen.
Es lebte jedoch einer, der es vorzog, diese Freiheit zu verkehren. Die Sünde
hatte ihren Ursprung bei dem, der nächst Christo am meisten von Gott geehrt
worden war, und der unter den Bewohnern des Himmels an Macht und Ehre am höchsten
stand. Vor seinem Fall
war Luzifer der erste der deckenden Engel, heilig und unbefleckt. „So spricht
der Herr, Herr: Du bist ein reinliches Siegel, voller Weisheit und aus der Maßen
schön.“ „Du bist wie ein Cherub, der sich weit ausbreitet und deckt; und
ich habe dich auf den heiligen Berg Gottes gesetzt, daß du unter den feurigen
Steinen wandelst. Du warst ohne Tadel in deinem Tun von dem Tage an, da du
geschaffen wurdest, bis sich deine Missetat gefunden hat.“ (Hes. 28,12-15.)
Luzifer
hätte, geliebt und geehrt von allen Engelscharen, in der Gunst Gottes bleiben
und alle seine hohen Begabungen zum Segen anderer und zur Verherrlichung seines
Schöpfers anwenden können. Aber der Prophet sagt: „Dein Herz erhob sich
wegen deiner Schönheit, du verlorst deinen Verstand wegen deines Glanzes.“
(Hes. 28, 17. v. Eß.) Ganz allmählich ließ Luzifer eine Neigung zur
Selbsterhebung in sich aufkommen. „Weil sich denn dein Herz erhebt, als wäre
es eines Gottes Herz.“ „Gedachtest du doch: ... Ich will... meinen Stuhl über
die Sterne Gottes erhöhen; ich will mich setzen auf den Berg der
Versammlung.“ „Ich will über die hohen Wolken fahren und gleich sein dem
Allerhöchsten.“ (Hes. 28, 6; Jes. 14, 13. 14.) Anstatt danach zu trachten, Gott durch die Anhänglichkeit und Treue
seiner Geschöpfe über alles zu erhöhen, war es Luzifers Bestreben, ihren
Dienst und ihre Huldigung für sich zu gewinnen. Und, indem ihn nach der Ehre
gelüstete, welche der unendliche Vater seinem Sohn gegeben hatte, strebte
dieser Engelfürst nach einer Macht, welche ausschließlich Christus ausüben
sollte.
Der ganze Himmel hatte Freude daran gefunden, die Herrlichkeit des Schöpfers widerzustrahlen und seine Gerechtigkeit zu rühmen. Und während Gott auf diese Weise geehrt wurde, war alles voller Friede und Freude gewesen. Doch störte nun ein Mißton den himmlischen Einklang. Die Selbsterhebung und ihr Dienst, welche dem Plan des Schöpfers zuwider sind, erweckten Vorahnungen des Übels in Gemütern, denen die Verherrlichung Gottes das Höchste gewesen war. Der himmlische Rat behandelte die Sache mit Luzifer. Der Sohn Gottes stellte ihm die Größe, die Güte und die Gerechtigkeit des Schöpfers und die heilige und unveränderliche Natur seines Gesetzes vor. Gott selbst habe die Ordnung des Himmels eingeführt, und Luzifer würde seinen Schöpfer verachten und sich selbst ins Verderben stürzen, wenn er davon abwiche. Aber die in unendlicher Liebe und Barmherzigkeit erteilte Warnung erreichte nur den Geist des Widerstandes. Luzifer ließ sich von der Eifersucht gegen Christum beherrschen und wurde um so entschlossener.
Der Stolz auf seine Herrlichkeit nährte das Verlangen nach der
Oberherrschaft. Die dem Luzifer erwiesenen hohen Ehren wurden nicht als die Gabe
Gottes anerkannt und riefen keine Dankbarkeit gegen den Schöpfer wach. Er brüstete
sich mit seiner Herrlichkeit und erhabenen Stellung und strebte danach, Gott
gleich zu sein. Die himmlischen Heerscharen liebten und ehrten ihn. Engel fanden Freude
daran, seine Anordnungen auszuführen, und er war mehr als sie alle mit Weisheit
und Herrlichkeit ausgestattet. Dennoch war der Sohn Gottes der anerkannte Fürst
des Himmels, eins mit dem Vater an Macht und Gewalt. An allen Beratungen Gottes
nahm Christus teil, während es Luzifer nicht gestattet war, soweit in die göttlichen
Absichten eingeweiht zu werden. Warum, so fragte sich dieser gewaltige Engel,
sollte Christus die Obergewalt haben? Warum wird er auf diese Weise vor Luzifer
geehrt?
Seinen Platz in der unmittelbaren Nähe Gottes verlassend, ging Luzifer hin
und säte den Geist der Unzufriedenheit unter den Engeln. Sein Werk mit
geheimnisvoller Verborgenheit betreibend und eine Zeitlang seinen wahren Zweck
unter dem Anschein von Ehrfurcht vor Gott verhehlend, bestrebte er sich,
Unzufriedenheit zu erregen über die den himmlischen Wesen gegebenen Gesetze und
deutete an, daß diese eine unnötige Einschränkung auferlegten.
Er behauptete, daß da die Engel von Natur heilig seien, sie auch den
Eingebungen ihres eigenen Willens gehorchen dürften, und versuchte, Mitgefühl
für sich selbst zu gewinnen, indem er es so darstellte, als ob Gott ihn
ungerecht behandelte, indem er Christo die höchste Ehre erzeigte. Er gab vor,
daß er nicht nach Selbsterhebung trachte, wenn er nach größerer Macht und
Ehre suche, sondern Freiheit für alle Bewohner des Himmels sichern wolle, damit
sie dadurch eine höhere Stufe des Daseins erreichen möchten.
Gott
trug Luzifer lange mit großer Barmherzigkeit. Er enthob ihn nicht sofort seiner
hohen Stellung, als er anfing, den Geist der Unzufriedenheit aufkommen zu
lassen, selbst dann noch nicht, als er seine falschen Ansprüche den getreuen
Engeln unterbreitete. Er wurde noch lange im Himmel geduldet. Wieder
und wieder wurde ihm unter der Bedingung der Reue und der Unterwürfigkeit
Vergebung angeboten. Anstrengungen, wie sie nur die unendliche Liebe und
Weisheit ersinnen konnte, wurden gemacht, ihn seines Irrtums zu überführen.
Bisher hatte man im Himmel den Geist der Unzufriedenheit nicht gekannt. Luzifer
selbst sah anfangs nicht, wohin er getrieben wurde; er verstand die wahre Natur
seiner Gefühle nicht. Als dann seine Unzufriedenheit als grundlos nachgewiesen
wurde, kam er zu der Überzeugung, daß er im Unrecht gewesen, daß die göttlichen
Ansprüche gerecht waren, und er sie als solche vor dem ganzen Himmel anerkennen
müßte. Hätte er dies getan, so hätte er sich selbst und viele Engel
retten können. Zu dieser Zeit hatte er seine Unterwürfigkeit gegen Gott noch
nicht ganz fahren lassen, und obgleich er seine Stellung als deckender Engel
verlassen hatte, hätte er doch, wenn er zu Gott zurückgekehrt wäre, die
Weisheit des Schöpfers anerkannt und sich begnügt hätte, den ihm nach dem großen
Plane Gottes bestimmten Platz zu bekleiden, wieder in sein Amt eingesetzt werden
können. Aber der Stolz verhinderte ihn, sich zu unterwerfen. Er verteidigte
beharrlich sein eigenes Verhalten, behauptete, keiner Buße zu bedürfen und ließ
sich völlig in den großen Streit wider seinen Schöpfer ein.
Alle Kräfte seines gewaltigen Geistes wurden nun auf Täuschung gerichtet,
um das Mitgefühl der Engel zu gewinnen, die unter seinem Befehl gestanden
hatten. Sogar die Tatsache, daß Christus ihn gewarnt und ihm Rat erteilt hatte,
wurde verdreht, um seinen verräterischen Zwecken zu dienen.
Denen, die durch liebevolles Vertrauen am innigsten mit ihm verbunden waren,
hatte er vorgehalten, daß er ungerecht beurteilt werde, daß man seine Stellung
nicht achte und daß seine Freiheit beschränkt werden solle. Von falschen
Darstellungen der Worte Christi ging er auf Verdrehungen und direkte
Unwahrheiten über und schuldigte den Sohn Gottes der Absicht an, ihn vor den
Bewohnern des Himmels demütigen zu wollen. Auch
suchte er Streitigkeiten zwischen sich und den treuen Engeln hervorzurufen.
Alle, die er nicht verführen und völlig auf seine Seite bringen konnte, klagte
er der Gleichgültigkeit gegen das Wohl der himmlischen Wesen an. Gerade das
Werk, welches er selbst betrieb, legte er denen zur Last, Welche Gott treu
blieben. Und um seiner Anklage über Gottes Ungerechtigkeit gegen ihn Nachdruck
zu geben, nahm er seine Zuflucht zu falschen Darstellungen der Worte und
Handlungen des Schöpfers. Es lag in seiner Absicht, die Engel mit
verschmitzten Trugschlüssen betreffs der Zwecke Gottes zu verwirren, alles, was
einfach war, hüllte er ins Geheimnisvolle und erregte durch listige Verdrehung
Zweifel gegen die deutlichsten Aussagen Jehovas. Seine hohe Stellung in solch
enger Verbindung mit der göttlichen Regierung verlieh seinen Vorstellungen eine
um so größere Kraft, und viele Engel wurden veranlaßt, sich ihm in der Empörung
gegen die Autorität des Himmels anzuschließen.
Der allweise Gott gestattete Satan, sein Werk weiterzuführen, bis der Geist
der Unzufriedenheit zu einem offenen Aufruhr heranreifte. Seine Pläne mußten
sich völlig entwickeln, damit ihre wahre Natur und Richtung von allen erkannt
werden könnten. Luzifer
war als der gesalbte Cherub hoch erhöht gewesen; er war von den himmlischen
Wesen sehr geliebt worden und hatte großen Einfluß auf sie ausgeübt. Gottes
Regierung erstreckte sich nicht nur über die Einwohner des Himmels, sondern über
die aller Welten, welche er geschaffen hatte, und Satan glaubte, daß falls er
die Engel des Himmels mit in die Empörung ziehen könnte, er das gleiche auch
bei den andern Welten zustande bringen würde. Mit großer Kunst hatte er seine
Stellung in der Sache klargemacht und Scheingründe und Betrug angewandt, um
seine Zwecke zu erreichen. Seine Macht zu täuschen war sehr groß, und indem er
sich in einen Lügenmantel kleidete, hatte er einen großen Vorteil gewonnen.
Sogar die treuen Engel konnten seinen Charakter nicht völlig durchschauen oder
erkennen, wohin sein Werk führte.
Satan war so hoch geehrt worden, und alle seine Handlungen waren derart in
Geheimnis gehüllt, daß es schwierig war, den Engeln die wahre Natur seines
Wirkens zu enthüllen. Bis zu ihrer völligen Entwicklung konnte die Sünde
nicht so böse erscheinen, wie sie wirklich war.
Bis dahin hatte sie keinen Platz in Gottes Weltall gehabt, und die heiligen
Wesen hatten keinen Begriff von ihrer Natur und Bösartigkeit. Sie konnten die
schrecklichen Folgen, welche aus einer Beiseitesetzung des göttlichen Gesetzes
hervorgehen würden, nicht erkennen. Satan hatte anfangs sein Werk verhehlt,
indem er eine scheinbare Anhänglichkeit an Gott heuchelte. Er gab vor, die Ehre
Gottes, die Beständigkeit seines Reiches und das Wohl aller Himmelsbewohner fördern
zu wollen. Während er den ihm untergeordneten Engeln Unzufriedenheit einflößte,
wußte er sich sehr geschickt den Anschein zu geben, als ob er jede
Unzufriedenheit beseitigen wolle. Als er
darauf drang, daß Veränderungen an den Gesetzen und Verordnungen der Regierung
Gottes vorgenommen werden sollten, geschah es unter dem Vorwand, daß sie
notwendig seien, um die Eintracht des Himmels zu bewahren.
In dem Verfahren mit der Sünde konnte Gott nur mit Gerechtigkeit und
Wahrheit vorgehen. Satan benutzte das, dessen Gott sich nicht bedienen konnte -
Schmeichelei und Betrug. Er hatte versucht, das Wort Gottes zu fälschen und
hatte den Plan seiner Regierung vor den Engeln falsch dargestellt, indem er
behauptete, Gott sei nicht gerecht, wenn er den Bewohnern des Himmels Gesetze
und Vorschriften auflege; er wolle sich durch die Forderung der Unterwürfigkeit
und des Gehorsams seitens seiner Geschöpfe nur selbst erheben. Deshalb
müsse es sowohl den Bewohnern des Himmels als auch denen aller Welten klar
gezeigt werden, daß Gottes Regierung gerecht und sein Gesetz vollkommen sei.
Satan hatte sich den Schein gegeben, daß er selbst das Wohl des Weltalls zu fördern
suche. Der wahre Charakter dieses Aufrührers und sein eigentlicher Zweck
sollten von allen verstanden werden, und deshalb mußte er Zeit haben, sich
durch seine gottlosen Werke zu offenbaren.
Die
Uneinigkeit, welche durch sein eigenes Benehmen im Himmel entstanden war, legte
Satan dem Gesetz und der Regierung Gottes zur Last. Alles Böse, erklärte er,
sei die Folge der göttlichen Regierung. Seine Absicht sei, die Satzungen
Jehovas zu verbessern. Deshalb sei es notwendig, daß er die Natur seiner Ansprüche
entfalte und das Wirken seiner vorgeschlagenen Veränderungen am göttlichen
Gesetze praktisch zeige. Satans eigenes Werk mußte ihn verdammen. Er hatte von
vornherein behauptet, daß er nicht in Empörung sei; nun mußte das ganze
Weltall den Betrüger entlarvt sehen.
Selbst
als es beschlossen war, daß Satan nicht länger im Himmel bleiben könnte,
vernichtete ihn die unendliche Weisheit nicht. Da nur der Dienst der Liebe Gott
angenehm sein kann, so muß sich die Treue seiner Geschöpfe auf die Überzeugung
seiner Gerechtigkeit und Güte gründen. Die Bewohner des Himmels und anderer
Welten hätten, da sie unvorbereitet waren, die Natur oder die Folgen der Sünde
zu begreifen, die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Gottes in der Zerstörung
Satans nicht erkennen können. Wäre er unmittelbar aus dem Dasein ausgetilgt
worden, so hätten sie Gott eher aus Furcht als aus Liebe gedient. Der Einfluß
des Betrügers wäre nicht völlig verwischt noch der Geist der Empörung gänzlich
ausgetilgt worden. Das Böse mußte
reifen. Zum Besten des gesamten Weltalls für ewige Zeiten mußte Satan seine
Grundsätze ausführlicher entfalten, auf daß seine Anklagen gegen die göttliche
Regierung von allen erschaffenen Wesen in ihrem wahren Licht gesehen und die
Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Gottes und die Unveränderlichkeit seines
Gesetzes auf immer über allen Zweifel hinaus festgestellt werden könnten.
Satans Empörung sollte dem Weltall für alle kommenden Zeitalter eine Lehre
sein, ein beständiges Zeugnis für die Natur und die schrecklichen Folgen der Sünde.
Die Befolgung der Grundsätze Satans und ihre Wirkung auf Menschen und Engel
sollten zeigen, was die Frucht des Beseitigens der göttlichen Autorität sein würde.
Sie mußten bezeugen, daß mit dem Bestehen der Regierung Gottes und seines
Gesetzes die Wohlfahrt aller von ihm geschaffenen Wesen verbunden ist.
So sollte die Geschichte dieses schrecklichen Empörungsversuches allen heiligen
Wesen ein beständiges Schutzmittel sein, um sie vor einer Täuschung
hinsichtlich der Natur der Übertretung, dem Begehen der Sünde und der
Erleidung ihrer Strafe zu bewahren.
Bis
zum Schluß des Streites im Himmel fuhr der große Machtanmaßer fort, sich zu
rechtfertigen. Als angekündigt wurde, daß er mit allen seinen Anhängern aus
den Stätten der Wonne ausgestoßen werden müsse, erklärte der Rädelsführer
kühn seine Verachtung gegen des Schöpfers Gesetz. Er wiederholte immer wieder
seine Behauptung, daß die Engel keiner Aufsicht bedürften, sondern frei sein müßten,
ihrem eigenen Willen zu folgen, der sie allezeit richtig führen werde. Er schmähte
die göttlichen Satzungen als eine Beschränkung ihrer Freiheit und erklärte,
daß es sein Vorhaben sei, die Abschaffung des Gesetzes herbeizuführen, auf daß,
befreit von diesem Zwang, die Heerscharen des Himmels zu einem erhabeneren,
herrlicheren Dasein gelangen möchten.
In völligem Einverständnis legten Satan und seine Scharen die Verantwortlichkeit ihrer Empörung gänzlich Christo zur Last und behaupteten, daß, falls sie nie gerügt worden wären, sie sich auch nie aufgelehnt hätten. Da der Erzempörer und alle seine Anhänger hartnäckig und herausfordernd in ihrer Treulosigkeit verharrten, sich vergeblich bemühten, die Regierung Gottes zu stürzen und dennoch sich, Gott lästernd, als unschuldige Opfer einer ungerechten Macht hinstellten, wurden sie schließlich aus dem Himmel verbannt.
Derselbe Geist, welcher die Empörung im Himmel anstiftete, erregt noch
immer Aufruhr auf Erden. Satan verfolgt denselben Plan bei den Menschen wie
unter den Engeln. Sein Geist herrscht nun in den Kindern des Ungehorsams. Gleich
ihm versuchen auch sie die Schranken des Gesetzes Gottes niederzureißen und
versprechen den Menschen Freiheit durch die Übertretung seiner Vorschriften.
Rüge wegen der Sünde erweckt noch immer den Geist des Hasses und der
Widerspenstigkeit. Wirken Gottes Warnungsbotschaften auf das Gewissen, so
verleitet Satan die Menschen, sich zu rechtfertigen und bei andern Teilnahme für
ihr sündiges Leben zu suchen. Anstatt ihre Irrtümer zu berichtigen, nähren
sie den Unwillen gegen den Ermahner, als ob er die einzige Ursache ihrer
Schwierigkeit sei. Von den Tagen des gerechten Abels bis auf unsere Zeit hat
sich dieser Geist denen gegenüber offenbart, die es wagten, die Sünde zu rügen.
Durch
dieselbe verkehrte Darstellung des Charakters Gottes, deren Satan sich im Himmel
bediente und wodurch Gott als streng und herrschsüchtig angesehen wurde,
verleitete er auf Erden die Menschen zur Sünde. Und als er damit erfolgreich
war, behauptete er, Gottes ungerechte Einschränkungen hätten zum Fall des
Menschen geführt, gleichwie sie auch Anlaß zu seiner eigenen Empörung gegeben
hätten.
Aber
der Ewige selbst verkündet seinen Charakter, als „Herr, Herr, Gott,
barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue! der da
bewahret Gnade in tausend Glieder und vergibt Missetat, Übertretung und Sünde,
und vor welchem niemand unschuldig ist.“ (2. Mose 34, 6. 7.)
Durch die Verbannung Satans aus dem Himmel erklärte Gott seine Gerechtigkeit und behauptete die Ehre seines Thrones. Als aber der Mensch sündigte, weil er auf die Täuschungen dieses abgefallenen Wesens einging, bewies Gott seine Liebe dadurch, daß er seinen eingeborenen Sohn für die sündigen Menschen in den Tod gab. In der Versöhnung bekundet sich der Charakter Gottes. Das Kreuz ist für das ganze Weltall der offenbare und gewaltige Beweis, daß das sündige Verfahren Luzifers in keiner Hinsicht der Regierung Gottes zur Last gelegt werden kann.
In
dem Kampf zwischen Christo und Satan wurde zur Zeit des irdischen Wirkens Jesu
der Charakter des großen Betrügers entlarvt. Nichts hätte Satan so gründlich
von der Liebe der himmlischen Engel und des ganzen untertänigen Weltalls
trennen können als dieser grausame Streit gegen den Erlöser der Welt. Die
vermessene Lästerung seiner Forderung, daß Christus ihn anbeten sollte, seine
freche Dreistigkeit, ihn auf den Berggipfel und die Tempelzinne zu tragen, die
heimtückische Absicht, die sich in dem Vorschlag zu erkennen gab, daß Christus
sich von dieser schwindelnden Höhe hinabstürzen solle, die nie ruhende
Bosheit, welche ihn von Ort zu Ort verfolgte und die Herzen von Priester und
Volk anfeuerte, seine Liebe zu verwerfen, und schließlich der Schrei:
„Kreuzige ihn! Kreuzige ihn!“ - dies alles erregte das Staunen und die Entrüstung
des Weltalls.
Satan verführte die Welt, Christum zu verwerfen. Der Fürst des Bösen
wandte alle seine Macht und seine Verschlagenheit an, Jesum zu verderben; denn
er sah, daß des Heilandes Barmherzigkeit und Liebe, seine mitleidsvolle Zärtlichkeit
und Teilnahme der Welt den Charakter Gottes veranschaulichten.
Satan machte jeglichen Anspruch des Sohnes Gottes streitig und benutzte Männer
als seine Werkzeuge, um das Leben des Heilandes mit Leiden und Sorge anzufüllen.
Die Spitzfindigkeiten und Unwahrheiten, durch welche er das Werk Christi zu
hindern versucht hatte, der durch die Kinder des Ungehorsams bekundete Haß,
seine grausamen Anschuldigen gegen den, dessen Leben ein beispielloser
Liebesdienst war: alles entsprang einem tief gewurzelten Rachegelüste. Das
zurückgehaltene Feuer des Neides und der Bosheit, des Hasses und der Rachsucht
brach auf Golgatha gegen den Sohn Gottes los, während der gesamte Himmel in
stillem Schrecken auf den Vorgang nieder blickte.
Als
das große Opfer vollbracht worden war, fuhr Christus auf zum Vater, weigerte
sich jedoch, die Anbetung der Engel entgegenzunehmen, ehe er dem Vater die Bitte
vorgelegt hatte: „Vater, ich will, daß, wo ich bin, auch die bei mir seien,
die du mir gegeben hast.“ (Joh. 17, 24.) Dann kam mit unaussprechlicher Liebe
und Macht vom Throne Gottes die Antwort: „Es sollen ihn alle Engel Gottes
anbeten.“ (Hebr. 1, 6.) Kein einziger Flecken ruhte auf Jesu. Nach Beendigung
seiner Erniedrigung, nach der Vollendung seines Opfers wurde ihm ein Name
gegeben, der über alle Namen ist.
Nun stand Satans Schuld ohne Entschuldigung da. Er hatte seinen wahren Charakter als Lügner und Mörder offenbart. Es erwies sich, daß er denselben Geist, mit dem er die unter seiner Macht stehenden Menschenkinder beherrschte, auch im Himmel bekundet haben würde, wäre ihm gestattet gewesen, dessen Bewohner zu regieren. Er hatte behauptet, daß die Übertretung des Gesetzes Gottes Freiheit und Erhebung bringen würde; statt dessen zeigte es sich, daß die Folgen nur Knechtschaft und Entartung waren.
Satans lügenhafte Anschuldigungen gegen den göttlichen Charakter und die göttliche
Regierung erschienen in ihrem wahren Licht.
Er hatte Gott angeschuldigt, daß er seiner eigenen Erhebung willen Unterwerfung
und Gehorsam von seinen Geschöpfen fordere, und hatte erklärt, daß der Schöpfer,
während er von allen anderen Selbstverleugnung erpresse, sie selbst nicht übe
noch Opfer bringe. Nun zeigte es sich, daß zum Heil der gefallenen und sündigen
Menschen der Herrscher des Weltalls das größte Opfer gebracht hatte, welches
die Liebe zu bringen vermochte; „denn Gott war in Christo und versöhnte die
Welt mit ihm selber.“ (2. Kor. 5, 19.) Man sah ferner, daß Luzifer durch sein
Verlangen nach Ehre und Oberherrschaft der Sünde Einlaß verschafft hatte, daß
Christus aber, um die Sünde auszutilgen, sich gedemütigt hatte und bis zum
Tode gehorsam geworden war.
Gott
hatte seinen Abscheu gegen die Grundsätze der Empörung offenbart. Der gesamte
Himmel sah sowohl in der Verdammung Satans als auch in der Erlösung des
Menschen eine Offenbarung seiner Gerechtigkeit. Luzifer hatte erklärt, daß
falls das Gesetz Gottes unveränderlich und seine Strafe unerläßlich sei,
jeder Übertreter auf ewig von der Gunst des Schöpfers ausgeschlossen sein müsse.
Er hatte behauptet, daß das sündige Geschlecht nicht erlöst werden könne und
deshalb seine rechtmäßige Beute sei. Aber
der Tod Christi war eine Beweisführung zugunsten der Menschen, die nicht
widerlegt werden konnte. Die Strafe des Gesetzes fiel auf den, der Gott gleich
war, und der Mensch konnte die Gerechtigkeit Christi annehmen und durch einen
reumütigen und demütigen Wandel über die Macht Satans siegen, wie auch der
Sohn Gottes gesiegt hatte. Somit ist Gott gerecht und dennoch der Rechtfertiger
aller, die an Jesum glauben.
Aber es war nicht nur, um die Erlösung des Menschen auszuwirken, daß
Christus auf diese Erde kam, um zu leiden und zu sterben. Er kam, um das
„Gesetz herrlich und groß“ zu machen. Nicht nur, damit die Bewohner dieser
Welt das Gesetz achten möchten, wie es sich gebühre, sondern um allen Welten
der ganzen Schöpfung zu beweisen, daß das Gesetz Gottes unveränderlich ist.
Hätten seine Ansprüche beiseite gesetzt werden können, dann hätte Gottes
Sohn nicht sein Leben opfern müssen, um die Übertretung zu sühnen. Der Tod
Christi beweist seine Unveränderlichkeit. Und das Opfer, zu welchem die
unendliche Liebe den Vater und den Sohn drang, damit Sünder erlöst werden möchten,
zeigt dem ganzen Weltall - wie nichts Geringeres als dieser Erlösungsplan es hätte
tun können -, daß Gerechtigkeit und Barmherzigkeit die Grundlage des Gesetzes
und der Regierung Gottes sind.
In der endgültigen Vollstreckung des Gerichtes wird es sich herausstellen, daß kein Grund für die Sünde besteht. Wenn der Richter der ganzen Erde Satan fragen wird: Warum hast du dich wider mich empört und mich der Untertanen meines Reiches beraubt? dann wird der Urheber des Übels keine Entschuldigung vorbringen können. Aller Mund wird verstopft werden, und die aufrührerischen Scharen werden stumm dastehen.
Während das Kreuz auf Golgatha das Gesetz als unveränderlich erklärt,
verkündigt es der Welt, daß der Tod der Sünde Sold ist. In dem Todesruf des
Heilandes: „Es ist vollbracht!“ wurde dem Satan die Sterbeglocke geläutet.
Der große so lang andauernde Streit wurde dann entschieden und die schließliche
Austilgung der Sünde sichergestellt. Der Sohn Gottes ging durch die Tore des
Todes, „auf daß er durch den Tod die Macht nähme dem, der des Todes Gewalt
hatte, das ist dem Teufel.“ (Hebr. 2, 14.) Luzifers Verlangen nach
Selbsterhebung hatte ihn verleitet zu sagen: „Ich will... meinen Stuhl über
die Sterne Gottes erhöhen. ... Ich will... gleich sein dem Allerhöchsten.“ Gott
sagt: „Darum... will ich dich zu Asche machen auf der Erde, daß du...
nimmermehr aufkommen kannst.“ (Jes. 14, 13. 14; Hes. 28, 18. 19.) „Denn
siehe, es kommt ein Tag, der brennen soll wie ein Ofen; da werden alle Verächter
und Gottlosen Stroh sein, und der künftige Tag wird sie anzünden, spricht der
Herr Zebaoth, und wird ihnen weder Wurzel noch Zweige lassen.“ (Mal. 3, 19.)
Das
ganze Weltall wird Zeuge von der Natur und den Folgen der Sünde geworden sein,
und ihre gänzliche Ausrottung, welche im Anfang die Engel in Furcht gesetzt und
Gott Schande gebracht haben würde, wird nun seine Liebe rechtfertigen und seine
Ehre erheben vor allen Wesen des Weltalls, deren größte Freude es ist, seinen
Willen zu tun, und in deren Herzen sein Gesetz geschrieben steht. Nie
wird das Übel wieder auftreten. Das Wort Gottes sagt: „Es wird das Unglück
nicht zweimal kommen.“ (Nahum 1, 9.) Das Gesetz Gottes, welches Satan als ein
Joch der Knechtschaft geschmäht hat, wird als das Gesetz der Freiheit geehrt
werden. Die geprüfte und bewährte Schöpfung wird nie wieder abfallen von
ihrer Untertanentreue gegen den, dessen Charakter sich völlig als eine unergründliche
Liebe und unendliche Weisheit offenbart hat.