Aber die Zeiten haben sich
geändert. Die Welt ist in die Gemeinde eingekehrt. Was ist da geschehen? Und
warum?
Wo jemals das Wort Gottes treu gepredigt wurde, zeigten sich Früchte, die seinen göttlichen Ursprung bezeugten. Der Geist Gottes begleitete die Botschaft seiner Knechte, und das Wort wirkte mächtig. Sünder fühlten ihre Gewissen ergriffen. Das „Licht, welches alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen,“ erhellte das Innerste ihrer Seelen, und die verborgenen Dinge der Finsternis wurden offenbar. Eine tiefe Überzeugung ergriff ihre Gemüter und Herzen. Sie wurden von der Sünde, der Gerechtigkeit und dem kommenden Gericht überzeugt. Sie hatten einen Begriff von der Gerechtigkeit Jehovas und fühlten den Schrecken, in ihrer Schuld und Unreinigkeit vor dem Herzenskündiger zu erscheinen. In der Angst ihrer Seele riefen sie aus: „Wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes?“ Als das Kreuz auf Golgatha mit seinem unermeßlichen Opfer für die Sünden der Menschheit offenbar wurde, sahen sie, daß nichts anderes als die Verdienste Christi genügen könnten, ihre Übertretungen zu sühnen; nur diese allein konnten den Menschen wieder mit Gott versöhnen. In Glauben und in Demut nahmen sie das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt, an. Durch Jesu Blut hatten sie Vergebung der Sünde, „welche bisher geblieben war.“
Diese Seelen brachten rechtschaffene Früchte der Buße. Sie glaubten, ließen
sich taufen und standen auf zu einem neuen Leben, zu neuen Kreaturen in Christo
Jesu; nicht etwa um nach ihren früheren Lüsten zu wandeln, sondern um durch
den Glauben an den Sohn Gottes seinen Fußspuren zu folgen, seinen Charakter
widerzustrahlen und sich zu reinigen, gleichwie er rein ist.
Was sie einst gehaßt hatten, liebten sie nun und was ihnen einst angenehm war,
verabscheuten sie jetzt. Die Hochmütigen und Rechthaberischen wurden demütig
und sanftmütig, die Eitlen und Anmaßenden bescheiden und ernst, die Lästerer
ehrfurchtsvoll, die Säufer nüchtern und die Lasterhaften tugendhaft. Die
eitlen Moden der Welt wurden abgelegt. Christen suchten nicht den äußerlichen
Schmuck „mit Haarflechten und Goldumhängen oder Kleider anlegen,“ sondern
ihre Zierde war „der verborgene Mensch des Herzens unverrückt mit sanftem und
stillem Geiste, das ist köstlich vor Gott.“ (1. Petr. 3, 3. 4.)
Erweckungen führten zur gründlichen Selbstprüfung und Demut. Sie waren
durch feierliche, ernste Aufrufe an die Sünder und inniges Mitleid mit denen,
die durch Christi Blut erkauft worden waren, gekennzeichnet. Männer und Weiber
beteten und rangen mit Gott um die Errettung von Seelen. Die
Früchte solcher Erweckungen gaben sich zu erkennen in Seelen, die nicht zurückschreckten
vor Selbstverleugnung und Opfer, sondern sich freuten, würdig erfunden zu sein,
um Christi willen Schmach und Anfechtungen zu erleiden. Man nahm eine
Umgestaltung in dem Leben derer wahr, die den Namen Jesu bekannt hatten. Ihr
Einfluß belebte die Gemeinde. Sie sammelten mit Christo und säten auf den
Geist, um das ewige Leben zu ernten.
Man
konnte von ihnen sagen: „Daß ihr betrübt seid worden zur Reue.“ „Denn
die göttliche Traurigkeit wirkt zur Seligkeit eine Reue, die niemand gereut;
die Traurigkeit aber der Welt wirkt den Tod. Siehe, daß ihr göttlich seid betrübt
worden, welchen Fleiß hat es in euch gewirkt, dazu Verantwortung, Zorn, Furcht,
Verlangen, Eifer, Rache! Ihr habt euch bewiesen in allen Stücken, daß ihr rein
seid in der Sache.“ (2. Kor. 7, 9-11.)
So wirkt der Geist Gottes. Der Beweis wahrer Reue ist eine Umwandlung. Wenn der Sünder sein Gelübde erfüllt, wiedergibt, was er geraubt hat, seine Sünden bekennt und Gott und seine Mitmenschen liebt, dann darf er versichert sein, daß er Frieden mit Gott gefunden hat. Derart waren die Wirkungen, welche in früheren Jahren den Zeiten religiöser Erweckung folgten. Indem man nach ihren Früchten urteilte, erkannte man, daß der Herr sie in der Errettung von Seelen und der Erhebung der Menschheit segnete.
Viele Erweckungen der Neuzeit zeigen jedoch einen bedeutenden Unterschied zu
den Bekundungen der göttlichen Gnade, welche in früheren Zeiten das Wirken der
Diener Gottes begleiteten. Wohl wird ein weitverbreiteter Eindruck hervorgerufen, viele geben vor,
bekehrt zu sein, und ein großer Zuwachs bekundet sich in den Kirchen; dennoch
sind die Folgen nicht derartig, um den Glauben rechtfertigen zu können, daß
ein entsprechendes Zunehmen des wirklichen geistlichen Lebens stattgefunden
habe. Das eine kurze Zeit auflodernde Licht erlischt bald wieder und läßt die
Finsternis dichter als zuvor.
Volkstümliche Erweckungen werden nur zu oft dadurch bewirkt, daß man die
Einbildung weckt, die Gefühle anregt und die Liebe zu etwas Neuem und
Aufregendem befriedigt. Die auf solche Weise gewonnenen Bekehrten haben nur
wenig Gefallen an biblischen Wahrheiten und tragen wenig Verlangen nach dem
Zeugnis der Propheten und Apostel. Es sei denn, daß ein Gottesdienst etwas von
einem aufregenden Charakter trage, so hat er keine Anziehung für sie.
Eine Botschaft, die sich an die nüchterne Vernunft richtet, findet keinen
Anklang. Die einfachen Warnungen des Wortes Gottes, welche direkt auf ihr ewiges
Wohl Bezug nehmen, bleiben unbeachtet.
Jeder wahrhaft bekehrten Seele werden die Beziehungen zu Gott und zu den Dingen der Ewigkeit die große Lebensfrage sein. Doch wo findet sich in den gegenwärtigen volkstümlichen Kirchen der Geist der Hingebung zu Gott? Die Bekehrten entsagen weder ihrem Hochmut noch ihrer Weltliebe. Sie sind jetzt nicht bereitwilliger, sich selbst zu verleugnen, ihr Kreuz auf sich zu nehmen und dem sanftmütigen und demütigen Jesu nachzufolgen als vor ihrer Bekehrung. Die Religion ist den Ungläubigen und Zweiflern ein Hohn geworden, weil so viele, die ihren Namen tragen, mit ihren Grundsätzen nicht bekannt sind. Die Kraft der Gottseligkeit ist beinahe aus den Kirchen gewichen. Ausflüge, Schauspiele, Basare, elegante Wohnungen und persönlicher Aufwand haben die Gedanken an Gott verscheucht. Hab und Gut und weltliche Beschäftigungen nehmen die Gedanken in Anspruch, und Dinge von ewigem Wert werden kaum vorübergehend beachtet.
So sehr aber auch Glaube und Frömmigkeit schwinden, so gibt es doch noch
wahre Nachfolger Christi in diesen Kirchen. Ehe Gott zum letzten Male die Welt
mit seinen Gerichten heimsucht, wird unter seinem Volk eine Erweckung der ursprünglichen
Gottseligkeit stattfinden, wie sie seit dem apostolischen Zeitalter nicht
gesehen wurde. Der Geist und die Kraft Gottes werden über seine Kinder
ausgegossen werden. Zu der Zeit werden sich viele von den Kirchen trennen, in
denen die Liebe zur Welt an Stelle der Liebe zu Gott und seinem Wort getreten
ist. Viele, sowohl Prediger als auch Laien, werden mit Freuden jene großen
Wahrheiten annehmen, welche Gott zu dieser Zeit hat verkündigen lassen, um ein
Volk auf das zweite Kommen des Herrn vorzubereiten. Der Seelenfeind möchte gern
dieses Werk verhindern, und wird, ehe die Zeit dieser Bewegung anbricht,
versuchen, etwas Verfälschtes hineinzubringen. In jenen Kirchen, die er unter
seine betrügerische Macht bringen kann, wird er den Anschein erwecken, als ob
der besondere Segen Gottes auf sie ausgegossen werde, weil sich hier, wie man
meint, eine große religiöse Anregung bekundet.
Scharen werden jubeln, daß Gott auf wunderbare Weise für sie wirke, wenn doch
das Werk das Wirken eines anderen Geistes ist. Unter einem religiösen Gewand
wird Satan versuchen, seinen Einfluß über die ganze christliche Welt
auszubreiten.
In vielen Erweckungen, die sich während der letzten 50 Jahre zugetragen
haben, waren mehr oder weniger dieselben Einflüsse tätig, die sich in den
ausgedehnteren Bewegungen der Zukunft zeigen werden. Es herrscht schon jetzt
eine Gefühlserregung, eine Mischung des Wahren mit dem Falschen, die trefflich
dazu angelegt sind, irrezuführen. Doch braucht sich niemand täuschen zu lassen. Im Licht des Wortes Gottes
wird es nicht schwer sein, die Beschaffenheit dieser Bewegungen festzustellen.
Wo man das Zeugnis der Bibel vernachlässigt, indem man sich von jenen
deutlichen, die Seele prüfenden Wahrheiten abwendet, welche Selbstverleugnung
und Entsagung der Welt erfordern, da dürfen wir versichert sein, daß Gottes
Segen nicht ausgeteilt wird. Nach der Regel, welche Christus selbst gegeben hat:
„An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen!“ (Matth. 7, 16) wird es
offenbar, daß diese Bewegungen nicht das Werk des Geistes Gottes sind.
In
den Wahrheiten seines Wortes hat Gott den Menschen eine Offenbarung seiner
selbst geschenkt; und allen, die sie annehmen, sind sie ein Schild gegen die Täuschungen
Satans. Die Vernachlässigung dieser Wahrheiten haben den Übeln, die sich jetzt
in der religiösen Welt so weit verbreiten, die Tore geöffnet. Die
Natur und Wichtigkeit des Gesetzes Gottes hat man in großem Maße aus den Augen
verloren. Da man die Beschaffenheit, die Wichtigkeit und die Verbindlichkeit des
göttlichen Gesetzes verkannte, ist man auch bezüglich der Bekehrung und
Heiligung irregegangen und hat dadurch den Maßstab der Frömmigkeit in den
Kirchen herabgewürdigt. Hier liegt das Geheimnis, weshalb den Erweckungen
unserer Zeit der Geist und die Kraft Gottes fehlen.
Es
gibt in den verschiedenen religiösen Gemeinschaften Männer, die sich durch
ihre Frömmigkeit auszeichnen und diese Tatsache anerkennen und beklagen. Prof.
Edward Park sagt bezüglich der landläufigen religiösen Gefahren Amerikas
treffend: „Eine Quelle der Gefahr ist die Vernachlässigung der Kanzel, das göttliche
Gesetz einzuschärfen. In früheren Tagen war die Kanzel ein Widerhall der
Stimme des Gewissens. ... Unsere glänzendsten Prediger verliehen ihren
Predigten eine wunderbare Majestät dadurch, daß sie dem Beispiel des Meisters
folgten und das Gesetz, seine Gebote und seine Drohungen hervorhoben.
Sie wiederholten die beiden großen Grundsätze, daß das Gesetz eine Abschrift
der göttlichen Vollkommenheit ist, und daß ein Mensch, der das Gesetz nicht
liebt, auch das Evangelium nicht liebhat, denn das Gesetz sowie das Evangelium
sind ein Spiegel, der den wahren Charakter Gottes widerspiegelt. Diese Gefahr führt
zu einer andern, nämlich das Übel der Sünde, ihre Ausdehnung und Strafbarkeit
zu unterschätzen. Wie das Gesetz recht ist, ist der Ungehorsam unrecht. ...
„Verwandt mit den bereits erwähnten Gefahren ist, die Gefahr, die
Gerechtigkeit Gottes zu unterschätzen. Die Neigung des modernen Kanzelredners
geht dahin, die göttliche Gerechtigkeit von der göttlichen Güte abzusondern
und die Güte vielmehr zu einem Gefühl herabzuwürdigen als zu einem Grundsatz
zu erheben. Das neue theologische Prisma scheidet, was der Herr zusammengefügt
hat. Ist das göttliche Gesetz etwas Gutes oder Böses? - Es ist etwas Gutes.
Dann ist auch die Gerechtigkeit gut; denn sie ist eine Willensneigung, das
Gesetz auszuführen. Aus der Gewohnheit, die göttliche Gerechtigkeit und das göttliche
Gesetz, die Ausdehnung und Strafbarkeit menschlichen Ungehorsams zu unterschätzen,
verfällt der Mensch leicht in die Gewohnheit, die Gnade geringzuachten, welche
eine Sühne für die Sünde gebracht hat.“
Auf diese Weise verliert das Evangelium seinen Wert und seine Wichtigkeit in den
Gemütern der Menschen, und bald stehen sie bereit, in Wirklichkeit die Bibel
selbst zu verwerfen.
Viele
Religionslehrer behaupten, daß Christus durch seinen Tod das Gesetz abgeschafft
habe und die Menschen hinfort von seinen Anforderungen entbunden seien. Es gibt
etliche, welche es als ein schweres Joch hinstellen und im Gegensatz zu der
Knechtschaft des Gesetzes die unter dem Evangelium zu genießende Freiheit
hochhalten.
Ganz
anders jedoch betrachteten die Propheten und Apostel das heilige Gesetz Gottes.
David sagte: „Ich wandle fröhlich; denn ich suche deine Befehle.“ (Pf. 119,
45.) Der Apostel Jakobus, der nach Christi Tod schrieb, verweist auf die Zehn
Gebote als „das königliche Gesetz,“ „das vollkommene Gesetz der
Freiheit.“ (Jak. 2, 8; 1, 25.) Der Schreiber der Offenbarung sprach mehr als
ein halbes Jahrhundert nach der Kreuzigung einen Segen über diejenigen aus,
„die seine Gebote halten, auf daß sie Macht haben an dem Holz des Lebens und
zu den Toren eingehen in die Stadt.“ (Offb. 22, 14.)
Die Behauptung, daß Christus durch seinen Tod das Gesetz seines Vaters
abgeschafft habe, entbehrt aller Grundlage. Hätte das Gesetz verändert oder
beseitigt werden können, dann hätte Christus nicht zu sterben brauchen, um den
Menschen von der Strafe der Sünde zu retten. Der Tod Christi, weit davon
entfernt, das Gesetz abzuschaffen, beweist, daß es unveränderlich ist.
Der Sohn Gottes ist gekommen, „daß er das Gesetz herrlich und groß mache.“
(Jes. 42, 21.) Er sagte: „Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen bin, das
Gesetz oder die Propheten aufzulösen.“ „Bis daß Himmel und Erde zergehe,
wird nicht zergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüttel vom Gesetz, bis daß
es alles geschehe.“ (Matth. 5, 17. 18.) Und von sich selbst sagt er: „Deinen
Willen, mein Gott, tue ich gerne, und dein Gesetz habe ich in meinem Herzen.“
(Ps. 40, 9.)
Das Gesetz Gottes ist schon von Natur unveränderlich. Es ist eine
Offenbarung des Willens und des Charakters seines Urhebers.
Gott ist die Liebe, und sein Gesetz ist Liebe. Seine zwei großen Grundsätze
sind Liebe zu Gott und zu den Menschen. „So ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung.“
(Röm. 13, 10.) Der Charakter Gottes ist Gerechtigkeit und Wahrheit; derart ist
auch die Beschaffenheit seines Gesetzes. Der Psalmist sagt: „Dein Gesetz ist
Wahrheit“; „alle deine Gebote sind recht.“ (Ps. 119, 142. 172.) Und der
Apostel Paulus erklärt: „Das Gesetz ist ja heilig, und das Gebot ist heilig,
recht und gut.“ (Röm. 7, 12.) Solch ein Gesetz, das ein Ausdruck des Geistes
und Willens Gottes ist, muß ebenso dauerhaft sein wie sein Urheber.
Es ist das Werk der Bekehrung und der Heiligung, die Menschen dadurch mit
Gott zu versöhnen, daß sie in Übereinstimmung mit den Grundsätzen seines
Gesetzes gebracht werden. Im Anfang wurde der Mensch nach dem Ebenbild Gottes geschaffen. Er stand in
vollkommener Übereinstimmung mit der Natur und dem Gesetze Gottes; die Grundsätze
der Gerechtigkeit waren auf sein Herz geschrieben. Doch die Sünde entfremdete
ihn von seinem Schöpfer. Das göttliche Ebenbild spiegelte sich nicht länger
in ihm wider. Sein Herz stand in Feindschaft mit den Grundsätzen des Gesetzes
Gottes. „Denn fleischlich gesinnt sein ist eine Feindschaft wider Gott,
sintemal es dem Gesetz Gottes nicht untertan ist; denn es vermag’s auch
nicht.“ (Röm. 8, 7.) Doch „also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen
eingeborenen Sohn gab,“ damit der Mensch mit Gott versöhnt werden könnte.
Durch die Verdienste Christi kann er in Übereinstimmung mit seinem Schöpfer
gebracht werden; sein Herz muß durch die göttliche Gnade erneuert werden; er
muß ein neues Leben von oben empfangen. Diese Umwandlung ist die neue Geburt,
ohne welche, wie uns Jesus sagt, niemand das Reich Gottes sehen kann.
Der erste Schritt in der Versöhnung mit Gott ist die Überzeugung von der Sünde. „Die Sünde besteht in der Übertretung des Gesetzes.“ „Durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde.“ (l. Joh. 3, 4; Röm. 3, 20.) Um seine Schuld zu erkennen, muß der Sünder seinen Charakter nach Gottes großem Maßstab der Gerechtigkeit prüfen. Das Gesetz ist ein Spiegel, welcher die Vollkommenheit eines gerechten Charakters zeigt und den Menschen befähigt, die Fehler seines eigenen einzusehen.
Das
Gesetz offenbart dem Menschen seine Sünde; aber es sieht keinen Heilsweg vor. Während
es dem. Gehorsamen Leben verheißt, erklärt es, daß der Tod das Los des Übertreters
ist. Das Evangelium Christi allein vermag ihn von der Verdammnis oder der
Befleckung der Sünde zu befreien. Er muß Buße tun vor Gott, dessen Gesetz er
übertreten hat, und Glauben üben an Christum, sein Sühnopfer. Dadurch erhält
er Vergebung vormaliger Sünden und wird Teilhaber der göttlichen Natur. Er ist
ein Kind Gottes und hat den Geist der Kundschaft empfangen, durch welchen er
ruft: „Abba, lieber Vater!“
Steht es ihm nun frei, Gottes Gesetz zu übertreten? Paulus fragt: „Wie?
Heben wir denn das Gesetz auf durch den Glauben? Das sei ferne! Sondern wir
richten es auf.“ „Wie sollten wir in der Sünde wollen leben, der wir
abgestorben sind?“ Und Johannes erklärt: „Denn das ist die Liebe zu Gott,
daß wir seine Gebote halten; und seine Gebote sind nicht schwer.“
(Röm. 3, 31; 6, 2; 1. Joh. 5, 3.) In der Wiedergeburt wird das Herz in Übereinstimmung
mit Gott, in Einklang mit seinem Gesetz gebracht. Hat diese gewaltige Umwandlung
im Sünder stattgefunden, so ist er vom Tode zum Leben, von der Sünde zur
Heiligkeit, von der Übertretung und Empörung zum Gehorsam und zur Treue übergegangen.
Das alte Leben der Entfremdung von Gott hat aufgehört; das neue Leben der Versöhnung,
des Glaubens und der Liebe hat angefangen. Dann wird „die Gerechtigkeit, vom
Gesetz erfordert, in uns erfüllt,... die wir nun nicht nach dem Fleische
wandeln, sondern nach dem Geist.“ (Röm. 8, 4.) Dann wird die Sprache der
Seele sein: „Wie habe ich dein Gesetz so lieb! täglich rede ich davon.“
(Ps. 119, 97.)
„Denn
durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde.“ (Röm. 3, 20.) Ohne das Gesetz
hat der Mensch keinen richtigen Begriff von der Reinheit und Heiligkeit Gottes
oder von seiner eigenen Schuld und Unreinheit. Er hat keine wahre Überzeugung
von der Sünde und fühlt kein Bedürfnis der Buße und Reue. Da er seinen
verlorenen Zustand als Übertreter des Gesetzes Gottes nicht erkennt, ist er
sich nicht bewußt, daß er des versöhnenden Blutes Christi bedarf. Die
Hoffnung des Heils wird ohne eine gründliche Umgestaltung des Herzens oder Änderung
des Wandels angenommen. Auf diese Weise gibt es viele oberflächliche
Bekehrungen, und ganze Scharen werden der Kirche zugefügt, welche nie mit
Christo vereint worden sind.
Irrtümliche Theorien der Heiligung, die ebenfalls der Vernachlässigung
oder Verwerfung des göttlichen Gesetzes entspringen, nehmen in den heutigen
religiösen Bewegungen einen hervorragenden Platz ein. Diese Ansichten sind
sowohl falsch in der Lehre als auch gefährlich in ihrem praktischen Wirken;
und die Tatsache, daß sie eine so allgemeine Annahme finden, macht es doppelt
notwendig, daß alle deutlich verstehen, was die Schrift über diesen Punkt
lehrt.
Wahre Heiligung ist eine biblische Lehre. Der Apostel Paulus erklärte in seinem Brief an die Gemeinde zu Thessalonich: „Denn das ist der Wille Gottes, eure Heiligung.“ Und er betete: „Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch.“ (l. Thess. 4, 3; 5, 23.) Die Bibel lehrt deutlich, was die Heiligung ist und wie sie erlangt werden kann. Der Heiland betete für seine Jünger: „Heilige sie in deiner Wahrheit; dein Wort ist die Wahrheit.“ (Joh. 17, 17. 19.) Und Paulus lehrte, daß die Gläubigen durch den Heiligen Geist geheiligt werden sollen. (Röm. 15, 16.) Was ist denn das Werk des Heiligen Geistes? Jesus sagte seinen Jüngern: „Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, der wird euch in alle Wahrheit leiten.“ (Joh. 16, 13.) Auch der Psalmist sagte: „Dein Gesetz ist Wahrheit.“ Durch das Wort und den Geist Gottes werden den Menschen die großen, in dem Gesetz Gottes verkörperten Grundsätze der Gerechtigkeit erschlossen. Und da das Gesetz Gottes „heilig, recht und gut“, eine Abschrift der göttlichen Vollkommenheit ist, so folgt, daß ein im Gehorsam gegen jenes Gesetz entwickelter Charakter auch heilig sein wird. Christus ist ein vollkommenes Beispiel eines solchen Charakters. Er sagt: „Gleichwie ich meines Vaters Gebote halte.“ „Ich tue allezeit, was ihm gefällt.“ (Joh. 15, 10; 8, 29.) Die Nachfolger Christi sollen ihm gleich werden, sollen durch Gottes Gnade Charaktere entwickeln, die mit den Grundsätzen seines heiligen Gesetzes übereinstimmen. Dies ist biblische Heiligung.
Dies
Werk kann nur durch den Glauben an Christum, durch die Macht des innewohnenden
Geistes Gottes verrichtet werden. Paulus ermahnt die Gläubigen: „Schaffet, daß
ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern. Denn Gott ist’s, der in euch wirkt
beides, das Wollen und das Vollbringen nach seinem Wohlgefallen.“ (Phil. 2,
12. 13.) Der Christ wird die Anregungen der Sünde fühlen, aber er wird einen
beständigen Kampf gegen sie unterhalten. Hier ist die Hilfe Christi vonnöten.
Menschliche Schwäche verbindet sich mit der göttlichen Kraft, und der Glaube
ruft aus: „Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unsern Herrn
Jesum Christum.“ (l. Kor. 15, 57.)
Die Heilige Schrift zeigt deutlich, daß das Werk der Heiligung ein
fortschreitendes ist. Wenn der Sünder in der Bekehrung durch das Blut der Versöhnung
Frieden mit Gott findet, so hat das christliche Leben eben erst begonnen.
Jetzt muß er „zur Vollkommenheit fahren“, heranwachsen zu einem
vollkommenen Menschen, „der da sei in dem Maße des vollkommenen Alters
Christi.“ Der Apostel Paulus schreibt: „Eins aber sage ich: Ich vergesse,
was dahinten ist, und strecke mich zu dem, das vorne ist; und jage nach dem
vorgesteckten Ziel, nach dem Kleinod, welches vorhält die himmlische Berufung
Gottes in Christo Jesu.“ (Phil. 3, 13. 14.) Und Petrus zeigt uns die Schritte,
welche zur Erlangung biblischer Heiligung erforderlich sind: „So wendet allen
euren Fleiß daran und reichet dar in eurem Glauben Tugend und in der Tugend
Erkenntnis und in der Erkenntnis Mäßigkeit und in der Mäßigkeit Geduld und
in der Geduld Gottseligkeit und in der Gottseligkeit brüderliche Liebe und in
der brüderlichen Liebe allgemeine Liebe. ... Denn wo ihr solches tut, werdet
ihr nicht straucheln.“ (2. Petr. 1, 5- 10.)
Wer die biblische Heiligung an sich erfahren hat, wird einen demütigen
Geist bekunden.
Gleichwie Mose hat er die feierliche Majestät der Heiligkeit erblickt und seine
eigene Unwürdigkeit im Gegensatz zu der Reinheit und der erhabenen
Vollkommenheit des Ewigen gesehen.
Der Prophet Daniel war ein Beispiel von wahrer Heiligung. Sein langes Leben war mit edlen Dienstleistungen für seinen Meister angefüllt. Der Bote vom Himmel nannte ihn „lieber Daniel.“ (Dan. 10, 11.) Anstatt jedoch zu behaupten, er sei rein und heilig, rechnete dieser geehrte Prophet sich selbst zu dem wahrhaft sündigen Israel, als er Fürbitte einlegte vor Gott für sein Volk. „Wir liegen vor dir mit unserem Gebet, nicht auf unsre Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.“ „Wir haben ja gesündigt, und sind leider gottlos gewesen.“ „Als ich noch so redete und betete und meine und meines Volkes Israel Sünde bekannte.“ Und als ihm bei einem späteren Anlaß der Sohn Gottes erschien, ihn zu belehren, erklärte er: „Ich ward sehr entstellt und hatte keine Kraft mehr.“ (D an. 9, 18. 15. 20; 10, 8.)
Als
Hiob die Stimme des Herrn aus dem Wetter hörte, rief er aus: „Darum spreche
ich mich schuldig und tue Buße in Staub und Asche.“ (Hiob 42, 6.) Es war zur
Zeit, da Jesaja die Herrlichkeit Gottes sah und die Cherubim rufen hörte:
„Heilig, heilig, heilig, ist der Herr Zebaoth!“ daß er ausrief: „Weh mir,
ich vergehe!“ (Jes. 6, 3. 5.) Paulus sprach, nachdem er in den dritten Himmel
entzückt worden war und unaussprechliche Worte hörte, welche kein Mensch sagen
kann, von sich selbst als „dem allergeringsten unter allen Heiligen.“ (2.
Kor. 12, 24; Eph. 3, 8.) Der geliebte Johannes, der an Jesu Busen geruht und
seine Herrlichkeit gesehen hatte, fiel zu den Füßen des Engels nieder. (Offb.
22, 8.)
Bei
denen, die im Schatten des Kreuzes auf Golgatha wandeln, gibt es keine
Selbsterhebung, keine prahlerische Behauptung, frei von Sünde zu sein. Sie sind
sich bewußt, daß es ihre Sünde war, welche die Seelenangst verursachte, die
dem Sohne Gottes das Herz brach, und dieser Gedanke wird zur Selbsterniedrigung
führen. Die am innigsten mit Jesu verbunden sind, erkennen am deutlichsten die
Schwächen und die Sündhaftigkeit der Menschheit, und ihre einzige Hoffnung
beruht auf dem Verdienst eines gekreuzigten und auferstandenen Heilandes.
Die
Heiligung, welche jetzt in der Christenheit hervortritt, offenbart einen Geist
der Selbsterhebung und eine Gleichgültigkeit gegen das Gesetz Gottes, wodurch
sie der Religion der Bibel fremd gegenübersteht. Ihre Anhänger lehren, die
Heiligung sei ein Werk des Augenblicks, durch welches sie im Glauben allein
vollkommene Heiligkeit erlangen. Glaube nur, sagen sie, und du wirst den Segen
erhalten. Keine weiteren Anstrengungen vom Empfänger werden für nötig
erachtet. Zu gleicher Zeit aber leugnen sie die Gültigkeit des göttlichen
Gesetzes und behaupten, sie seien von der Verpflichtung, die Gebote zu halten,
befreit. Ist es aber möglich, daß Menschen heilig und in Übereinstimmung mit
dem Willen und Charakter Gottes sein können ohne in Einklang mit den Grundsätzen
zu kommen, welche ein Ausdruck der Natur und des Willens Gottes sind, und die
dartun, was ihm wohlgefällig ist?
Das Verlangen nach einer leichten Religion, welche weder Anstrengung,
Selbstverleugnung noch Trennung von den Torheiten der Welt erfordert, hat die
Lehre vom Glauben, und zwar vom Glauben allein zu einer volkstümlichen Lehre
gemacht. Was sagt aber
Gottes Wort? Der Apostel Jakobus sagt: „Was hilft’s, liebe Brüder, so
jemand sagt, er habe den Glauben und hat doch die Werke nicht. Kann auch der
Glaube ihn selig machen? ... Willst du aber erkennen, du eitler Mensch, daß der
Glaube ohne Werke tot sei? Ist nicht Abraham, unser Vater, durch die Werke
gerecht geworden, da er seinen Sohn Isaak auf dem Altar opferte? Da siehest du,
daß der Glaube mitgewirkt hat an seinen Werken, und durch die Werke ist der
Glaube vollkommen geworden. .. . So seht ihr nun, daß der Mensch durch die
Werke gerecht wird, nicht durch den Glauben allein.“ (Jak. 2, 14-24.)
Das Zeugnis des göttlichen Wortes ist wider diese verstrickende Lehre vom
Glauben ohne Werke. Die
Gunst des Himmels zu beanspruchen, ohne den Bedingungen, unter welchen
Barmherzigkeit gewährt wird, nachzukommen, ist nicht Glaube, sondern
Vermessenheit; denn der echte Glaube hat seinen Grund in den Verheißungen und
Verordnungen der Heiligen Schrift.
Niemand gebe sich dem Glauben hin, heilig werden zu können, während
wissentlich eins der Gebote Gottes übertreten wird.
Das Begehen einer bewußten Sünde bringt die überzeugende Stimme des Geistes
zum Schweigen und trennt die Seele von Gott. Sünde ist die Übertretung des
Gesetzes. Und „wer da sündigt [das Gesetz übertritt], der hat ihn nicht
gesehen noch erkannt.“ (l. Joh. 3, 6.) Obgleich Johannes in seinen Briefen so
ausführlich von der Liebe spricht, zögert er dennoch nicht, den wahren
Charakter jener zu enthüllen, welche beanspruchen, geheiligt zu sein, während
sie in Übertretung des göttlichen Gesetzes leben. „Wer da sagt: Ich kenne
ihn, - und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in solchem ist
keine Wahrheit. Wer aber sein Wort hält, in solchem ist wahrlich die Liebe
Gottes vollkommen.“ (l. Joh. 2, 4. 5.) Hier ist der Prüfstein eines jeglichen
Bekenntnisses. Wir können keinem Menschen Heiligkeit beimessen, ohne ihn nach
dem Maßstab des einzigen göttlichen Richtscheits der Heiligkeit im Himmel und
auf Erden gemessen zu haben. Wenn Menschen die Wichtigkeit des Sittengesetzes
nicht erkennen, wenn sie Gottes Gebote geringschätzen und leichtfertig
behandeln, wenn sie eines der geringsten dieser Gebote übertreten und die
Menschen also lehren, so werden sie vor dem Himmel als unwert erachtet, und wir
können wissen, daß ihre Ansprüche unbegründet sind.
Die
Behauptung, ohne Sünde zu sein, ist an und für sich schon ein Beweis, daß
der, welcher solche Ansprüche erhebt, weit davon entfernt ist, heilig zu sein.
Weil der Mensch keinen wahren Begriff von der unbegrenzten Reinheit und
Heiligkeit Gottes oder von dem Zustand derer hat, die im Einklang mit seinem
Charakter sein werden; weil er keine wahre Vorstellung von der Reinheit und der
erhabenen Lieblichkeit Jesu noch von der Bosheit und dem Unheil der Sünde hat,
darum sieht er sich selbst als heilig an. Je größer die Entfernung zwischen
ihm und Christo, je unzulänglicher seine Begriffe von dem Charakter und den
Anforderungen Gottes sind, um so gerechter wird er in seinen eigenen Augen
erscheinen.
Die in der Heiligen Schrift verordnete Heiligung schließt das ganze Wesen -
Geist, Seele und Leib - ein. Paulus betete für die Thessalonicher, daß ihr „Geist ganz samt Seele
und Leib müsse bewahrt werden unsträflich auf die Zukunft unsers Herrn Jesu
Christi.“ (l. Thess. 5, 23.) Wiederum schrieb er an Gläubige: „Ich ermahne
euch, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, daß ihr eure Leiber
begebet zum Opfer, das da lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei.“ (Röm.
12, 1.) Zur Zeit des alten Israels wurde jede Gott zum Opfer dargebrachte Gabe
sorgfältig untersucht. Wurde irgendein Fehler an dem Opfertier gefunden, so
wurde es abgewiesen; denn Gott hatte befohlen, daß „kein Fehl“ am Opfer
sein sollte. So wird auch den Christen geboten, ihre Leiber „zum Opfer, das da
lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei“, zu begeben. Dazu aber müssen
alle ihre Kräfte in dem bestmöglichen Zustand erhalten werden. Eine jegliche Handlung, welche die körperliche oder geistige Kraft schwächt,
macht den Menschen für den Dienst seines Schöpfers untüchtig. Könnte Gott
denn Wohlgefallen an irgend etwas finden, das nicht unser Bestes ist? Christus
sagte: „Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen.“ Die Gott
von ganzem Herzen lieben, werden ihm den besten Dienst ihres Lebens weihen
wollen und beständig suchen, ein jedes Vermögen ihres Wesens in Übereinstimmung
mit den Gesetzen zu bringen, welche ihre Fähigkeit, seinen Willen zu tun, fördern.
Sie werden nicht durch die Befriedigung der Genußsucht oder Leidenschaften das
Opfer schwächen oder verunreinigen, das sie ihrem himmlischen Vater darbringen.
Petrus
sagt: „Enthaltet euch von fleischlichen Lüsten, welche wider die Seele
streiten.“ (l. Petr. 2, 11.) Jede sündhafte Befriedigung führt zur
Abstumpfung der Geisteskräfte und schwächt das geistige und geistliche
Wahrnehmungsvermögen, so daß das Wort oder der Geist Gottes nur einen
schwachen Eindruck auf das Herz machen können. Paulus schreibt an die
Korinther: „Lasset uns von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes uns
reinigen und fortfahren mit der Heiligung in der Furcht Gottes.“ (2. Kor. 7,
1.) Und den Früchten des Geistes: „Liebe, Freude, Friede, Langmut,
Leutseligkeit, Güte, Treue, Sanftmut“ reiht er „Enthaltsamkeit“ an. (Gal.
5, 22. 23.)
Wie viele, die sich Christen nennen, schwächen aber trotz diesen
inspirierten Aussagen dennoch ihre Kräfte im Jagen nach Gewinn oder in der
Huldigung der Mode; wie viele würdigen die ihnen von Gott verliehene Mannheit
herab durch Prasserei, Weintrinken und verbotene Genüsse!
Und die Kirche, anstatt das Übel zu rügen, ermutigt es nur zu oft, indem sie
die Eßlust, das Verlangen nach Gewinn oder die Liebe zum Vergnügen reizt, um
ihre Kasse wieder zu füllen, wozu die Liebe zu Christo zu schwach ist. Würde
Jesus die heutigen Kirchen betreten und dort den unheiligen Verkehr und die
Schwelgerei [wie dies namentlich in Amerika der Fall ist] wahrnehmen, die im
Namen der Religion daselbst veranstaltet werden, würde er da nicht jene
Tempelschänder hinaus treiben, wie er einst die Geldwechsler aus dem Tempel
trieb?
Der Apostel Jakobus sagt uns, daß die Weisheit, die von oben kommt, „fürs
erste rein“ ist. (Jak. 3, 17.) Hätte er Männer getroffen, die den köstlichen
Namen Jesu auf ihre von Tabak verunreinigten Lippen nehmen, deren Atem und
Person von dem ekelhaften Geruch durchdrungen sind, die die Luft des Himmels
verpesten und ihre Umgebung zwingen, das Gift einzuatmen - hätte der Apostel
einen der Reinheit des Evangeliums so sehr entgegengesetzten Brauch vorgefunden,
würde er ihn nicht als irdisch, sinnlich, teuflisch verurteilt haben?
Sklaven des Tabaks mögen wohl behaupten, völlig geheiligt zu sein, mögen
reden von ihrer Hoffnung auf den Himmel; aber Gottes Wort sagt deutlich: „Und
wird nicht hineingehen irgendein Gemeines.“ (Offb. 21, 27.)
„Wisset ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der
in euch ist, welchen ihr habt von Gott, und seid nicht euer selbst? Denn ihr
seid teuer erkauft; darum so preiset Gott an eurem Leibe und in eurem Geiste,
welche sind Gottes.“ (l. Kor. 6, 19. 20.) Der Mensch, dessen Leib ein Tempel
des Heiligen Geistes ist, wird sich nicht durch eine verderbliche Gewohnheit zum
Sklaven machen lassen. Seine Kräfte gehören Christo, der ihn mit seinem Blut erkauft hat. Seine
Güter sind des Herrn. Wie könnte er sich der Vergeudung der ihm anvertrauten
Habe schuldig machen? Bekenntliche Christen geben alljährlich ungeheure Summen
für nutzlose und schädliche Befriedigungen aus, während Seelen aus Mangel an
dem Brot des Lebens verderben; sie berauben Gott an Gaben und Opfern, während
sie mehr auf den Altar der verderblichen Lüste legen als sie zur Unterstützung
der Armen oder zur Verbreitung des Evangeliums beitragen. Wenn alle vorgeblichen
Nachfolger Christi wahrhaft geheiligt wären, so würden ihre Mittel anstatt für
nutzlose und sogar schädliche Befriedigungen verwandt zu werden, in die
Schatzkammer des Herrn fließen, und sie würden andern ein Beispiel an Mäßigkeit,
Selbstverleugnung und Selbstaufopferung geben. Dann würden sie das Licht der
Welt sein.
Die
Welt ist der Selbstbefriedigung ergeben. „Des Fleisches Lust und der Augen
Lust und hoffärtiges Leben“ beherrschen die Volksmenge. Aber Christi
Nachfolger haben einen heiligeren Beruf: „Darum gehet aus von ihnen und
sondert euch ab, spricht der Herr, und rühret kein Unreines an.“ Im Licht des
Wortes Gottes sind wir gerechtfertigt zu sagen, daß keine Heiligung echt sein
kann, welche nicht diese gänzliche Entsagung des sündhaften Trachtens und der
Befriedigung der Welt bewirkt.
Denen, welche den Bedingungen: „Gehet aus von ihnen und sondert euch ab,
und rühret kein Unreines an“, nachkommen, gilt Gottes Verheißung: „So will
ich euch annehmen und euer Vater sein, und ihr sollt meine Söhne und Töchter
sein, spricht der allmächtige Herr.“ (2. Kor. 6, 17. 18.) Es ist eines jeden
Christen Vorrecht und Pflicht, eine reiche und köstliche Erfahrung in den
Dingen Gottes zu machen.
„Ich bin das Licht der Welt,“ sagt der Heiland. „Wer mir nachfolgt, der
wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens
haben.“ (Joh. 8, 12.) „Aber der Gerechten Pfad glänzt wie das Licht, das
immer heller leuchtet bis auf den vollen Tag.“ (Spr. 4, 18.) Ein jeglicher
Schritt des Glaubens und des Gehorsams bringt die Seele in engere Verbindung mit
dem Licht der Welt, in welchem „keine Finsternis„ ist. Die hellen Strahlen
der Sonne der Gerechtigkeit scheinen auf Gottes Diener, und sie sollen sein
Licht widerstrahlen. Gleichwie uns die Sterne lehren, daß ein großes Licht am
Himmel ist, dessen Glanz sie erhellt, so sollen die Christen es bekunden, daß
auf dem Thron des Weltalls ein Gott sitzt, dessen Charakter des Lobes und der
Nachahmung würdig ist. Die Früchte seines Geistes, die Reinheit und Heiligkeit
seines Charakters werden sich in seinen Zeugen offenbaren.
Paulus
beschreibt in seinem Brief an die Kolosser die reichen Segnungen, die den
Kindern Gottes verliehen werden. Er sagt: „Derhalben... hören wir nicht auf,
für euch zu beten und zu bitten, daß ihr erfüllet werdet mit Erkenntnis
seines Willens in allerlei geistlicher Weisheit und Verständnis, daß ihr
wandelt würdig dem Herrn zu allem Gefallen und fruchtbar seid in allen guten
Werken und wachset in der Erkenntnis Gottes, und gestärkt werdet mit aller
Kraft nach seiner herrlichen Macht, in aller Geduld und Langmütigkeit mit
Freuden.“ (Kol. 1, 9-11.)
Wiederum
schreibt er von seinem Verlangen, daß die Brüder in Ephesus die Erhabenheit
der christlichen Vorrechte völlig erkennen möchten. Er erschließt vor ihnen
in höchst deutlichen Ausdrücken die wunderbare Macht und Erkenntnis, welche
sie als Söhne und Töchter des Allerhöchsten haben können. Es war ihr
Vorrecht, „stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen,“
„durch die Liebe eingewurzelt und gegründet“ zu werden, zu „begreifen“
„mit allen Heiligen, welches da sei die Breite und die Länge und die Tiefe
und die Höhe“ und zu „erkennen die Liebe Christi, die doch alle Erkenntnis
übertrifft.“ Aber das Gebet des Apostels erreicht den Höhepunkt des
Vorrechts, wenn er betet, „daß ihr erfüllet werdet mit allerlei Gottesfülle.“
(Eph. 3, 16-19.)
Hier wird uns das erhabene Ziel gezeigt, welches wir durch den Glauben an die Verheißungen unseres himmlischen Vaters erreichen können, wenn wir den von ihm gestellten Anforderungen nachkommen. Durch Christi Verdienst haben wir Zugang zu dem Thron der unendlichen Macht. „Welcher auch seines eigenen Sohnes nicht hat verschont, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben; wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?“ (Röm. 8, 32.) Der Vater gab seinem Sohn seinen Geist ohne Maß; und auch wir dürfen teilhaben an seiner Fülle. Jesus sagt: „ „Was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun.“ „Bittet, so werdet ihr nehmen, daß eure Freude vollkommen sei.“ (Luk. 11, 13; Joh. 14, 14; 16, 24.)
Während
des Christen Leben sich durch Demut kennzeichnet, sollte nicht Traurigkeit oder
Herabsetzung seiner selbst darin bemerkbar sein. Es ist das Vorrecht eines
jeden, so zu wandeln, wie es dem Herrn wohl gefällt und er ihn segnen kann.
Unser himmlischer Vater will nicht, daß wir uns beständig verdammt und in
Finsternis fühlen sollen. Es ist kein
Beweis wahrer Demut, mit gebeugtem Haupt und einem mit Gedanken über sich
selbst erfüllten Herzen einher zugehen. Wir können zu Jesu kommen, uns von ihm
reinigen lassen, und ohne Scham oder Gewissensbisse vor dem Gesetz bestehen.
„So ist nun nichts Verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind, die nicht
nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist.“ (Röm. 8, 1.)
Durch
Jesum werden die gefallenen Söhne Adams „Kinder Gottes“. „Sintemal sie
alle von einem kommen, beide, der da heiligt und die da geheiligt werden. Darum
schämt er sich auch nicht, sie Brüder zu heißen.“ (Hebr. 2, 11.) Das
Leben des Christen sollte ein Leben des Glaubens, des Sieges und der Freude in
Gott sein. „Denn alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt; und
unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“ (l. Joh. 5, 4.) In
Wahrheit sagte Gottes Diener Nehemia: „Die Freude am Herrn ist eure Stärke.“
(Neh. 8, 10.) Und Paulus schreibt: „Freuet euch in dem Herrn allewege! und
abermals sage ich: Freuet euch!“ „Seid allezeit fröhlich, betet ohne
Unterlaß, seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in
Christo Jesu an euch.“ (Phil. 4, 4; 1. Thess. 5, 16-18.)
Das sind die Früchte biblischer Bekehrung und Heiligung; und weil die großen Grundsätze der Gerechtigkeit, wie das Gesetz Gottes sie veranschaulicht, von der christlichen Welt so gleichgültig behandelt werden, darum werden diese Früchte so selten gesehen. Aus diesem Grunde offenbart sich auch so wenig von jenem tiefen, bleibenden Wirken des Geistes Gottes, welches die Erweckungen früherer Jahre kennzeichnete.
Durch
Schauen auf den Herrn werden wir verwandelt. Und da jene heiligen Vorschriften,
in welchen Gott den Menschen die Vollkommenheit und Heiligkeit seines Charakters
offenbart, vernachlässigt werden, und der Sinn des Volkes von menschlichen
Lehren und Ansichten angezogen wird, so ist es gar nicht zu verwundern, daß
eine Abnahme der lebendigen Frömmigkeit in der Kirche eingetreten ist. Der Herr
sagte: „Mich, die lebendige Quelle, verlassen sie und machen sich hier und da
ausgehauene Brunnen, die doch löcherig sind und kein Wasser geben.“ (Jer. 2,
13.)
„Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen,... sondern hat Lust zum Gesetz des Herrn und redet von seinem Gesetz Tag und Nacht! Der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht; und was er macht, das gerät wohl.“ (Ps. 1, 1-3.) Nur dadurch, daß dem Gesetz Gottes sein rechtmäßiger Standpunkt wieder eingeräumt wird, kann wiederum eine Erweckung des anfänglichen Glaubens und der ersten Gottseligkeit unter seinem vorgeblichen Volk stattfinden. „So spricht der Herr: Tretet auf die Wege und schaut und fragt nach den vorigen Wegen, welches der gute Weg sei, und wandelt darin, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele!“ (Jer. 6, 16.)