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Es ist eine traurige Wahrheit, daß nicht alle etwas von Christi baldiger
Wiederkunft hören wollen. Entweder weichen sie dieser Botschaft aus oder
verleugnen sie.
Der zweite Engel von
Offenbarung 14, 7 folgt dem ersten. Die Auswirkungen davon haben auch für uns
heute noch eine tiefe Bedeutung.
William Miller und seine Mitarbeiter hatten bei der Verkündigung der Wiederkunft Christi den allgemeinen Zweck im Auge, ihre Mitmenschen zu einer Vorbereitung auf das Gericht anzuspornen. Sie hatten versucht, vorgebliche Gläubige zur Erkenntnis der wahren Hoffnung der Gemeinde und zur Notwendigkeit einer tieferen christlichen Erfahrung zu erwecken; auch arbeiteten sie darauf hin, die Unbekehrten von ihrer Pflicht, unverzügliche Buße und Bekehrung zu Gott, zu überzeugen. „Sie machten keine Versuche, irgend jemand zu einer Sekte oder Religionspartei zu bekehren und arbeiteten daher unter allen Parteien und Sekten, ohne in ihre Organisation und Kirchenzucht einzugreifen.“
Miller
sagte: „In allen meinem Wirken habe ich nie gewünscht oder beabsichtigt,
irgendeine Sonderrichtung außer den bestehenden Gemeinschaften hervorzurufen
oder eine auf Kosten einer andern zu begünstigen. Ich gedachte, ihnen allen zu
nützen. Unter der Voraussetzung, daß alle Christen sich der Aussicht des
Kommens Jesu freuen, und die, welche nicht so sehen konnten, wie ich sah,
nichtsdestoweniger jene lieben würden, welche diese Lehre annähmen, ahnte ich
nicht, daß abgesonderte Versammlungen jemals nötig werden könnten. Mein
einziger Zweck war, Seelen zu Gott zu bekehren, der Welt ein kommendes Gericht
kundzutun und meine Mitmenschen zu bewegen, jene Vorbereitung des Herzens zu
treffen, die sie befähigt, ihrem Gott im Frieden zu begegnen. Die große
Mehrheit derer, die unter meinem Wirken bekehrt wurden, vereinigten sich mit den
verschiedenen bestehenden Gemeinden.“ (Bliß, Erinnerungen an Wm. Miller, S.
328.)
Da Millers Werk zum Aufbau der Gemeinden gereichte, so wurde es eine
Zeitlang günstig angesehen. Doch als Prediger und religiöse Leiter sich gegen
die Adventlehre entschieden und alle Erörterung des Gegenstandes zu unterdrücken
wünschten, traten sie nicht nur von der Kanzel aus dagegen auf, sondern
gestatteten ihren Mitgliedern auch nicht das Vorrecht, Predigten über das
zweite Kommen zu besuchen oder auch nur ihre Hoffnung in den Erbauungsstunden
der Gemeinde auszusprechen., So befanden sich die Gläubigen in einer sehr
schwierigen Lage. Sie liebten ihre Gemeinden und wollten sich ungern von ihnen trennen; doch
als sie sahen, daß das Zeugnis des Wortes Gottes unterdrückt und ihnen das
Recht, in den Weissagungen zu forschen, versagt wurde, erkannten sie, daß die
Treue gegen Gott ihnen verbiete, sich zu fügen. Die das Zeugnis des Wortes
Gottes verwarfen, konnten sie nicht als die Gemeinde Christi, als „Pfeiler und
Grundfeste der Wahrheit“, ansehen, und daher fühlten sie sich gerechtfertigt,
sich von ihren früheren Verbindungen zu trennen. Im Sommer des Jahres 1844 zogen sich ungefähr 50.000 Glieder aus den
Gemeinden zurück.
Um diese Zeit ließ sich in den meisten Kirchen der Vereinigten Staaten eine
auffällige Veränderung erkennen. Schon seit vielen Jahren hatte eine allmähliche
aber beständig zunehmende Gleichförmigkeit mit den weltlichen Gebräuchen und
Gewohnheiten und ein dementsprechendes Abnehmen in dem wirklichen geistlichen
Leben bestanden; aber in diesem Jahre zeigten sich in fast allen Gemeinschaften
des Landes Spuren eines plötzlichen und entschiedenen Verfalls.
Während niemand imstande zu sein schien, die Ursache zu ergründen, wurde die
Tatsache selbst doch von der Presse und der Kanzel weit und breit bemerkt und
besprochen.
Anläßlich
einer Versammlung des Presbyteriums von Philadelphia machte Herr Barnes, der
Verfasser eines bekannten Bibelwerks und Pastor an einer der hervorragendsten
Kirchen jener Stadt, die Angabe, „daß er 20 Jahre des geistlichen Amtes warte
und noch nie, bis auf die letzte Abendmahlsfeier, das Abendmahl ausgeteilt habe
ohne mehr oder weniger Glieder in die Gemeinde aufzunehmen. Aber nun gebe es
keine Erweckungen, keine Bekehrungen mehr, nicht viel offenbares Wachstum in der
Gnade unter den Bekennern, und niemand komme auf sein Studierzimmer, um über
sein Seelenheil mit ihm zu sprechen. Mit der Vermehrung des geschäftlichen
Verkehrs und den blühenden Aussichten des Handels und der Fabriken komme auch
eine Vermehrung der weltlichen Gesinnung. So ist es mit allen religiösen
Gemeinschaften.“ (Congreg. Journal, 23. Mai 1844.)
Im
Monat Februar desselben Jahres sagte Prof. Finney am Oberlin-Kollegium: „Wir
haben die Tatsachen vor Augen gehabt, daß im großen Ganzen die
protestantischen Kirchen unseres Landes als solche entweder beinahe allen
sittlichen Reformen des Zeitalters gegenüber abgeneigt oder feindlich waren. Es
gibt teilweise Ausnahmen, doch nicht genug, um diese Tatsache anders denn
allgemein erscheinen zu lassen. Noch ein anderer bewiesener Umstand besteht: das
fast gänzliche Fehlen des Erweckungsgeistes in den Gemeinden. Die geistliche
Abgestumpftheit durchdringt beinahe alles und geht ungeheuer tief; das bezeugt
die religiöse Presse des ganzen Landes. ... In sehr ausgedehntem Maße ergeben
sich die Gemeindeglieder der Mode und gehen Hand in Hand mit den Gottlosen zu
Ausflügen, zum Tanz und anderen Festlichkeiten usw. ... Doch wir brauchen uns
nicht weiter über diesen peinlichen Gegenstand auszusprechen. Es genügt, daß
die Beweise sich mehren und uns schwer bedrücken, daß die Kirchen im
allgemeinen auf traurige Weise entarten. Sie sind sehr weit von dem Herrn
abgewichen, und er hat sich von ihnen zurückgezogen.“
Und
ein Schreiber in dem „Religious Telescope“ bezeugt: „Wir haben nie einen
so allgemeinen Verfall wie gerade jetzt wahrgenommen. Wahrlich, die Kirche
sollte aufwachen und die Ursache dieses Notstandes zu ergründen suchen; denn
als einen solchen muß jeder, der Zion liebt, diesen Zustand ansehen. Wenn wir
die wenigen und vereinzelten Fälle wahrer Bekehrung und die beinahe
beispiellose Unbußfertigkeit und Härte der Sünder erwägen, so rufen wir fast
unwillkürlich aus: Hat Gott vergessen gnädig zu sein, oder ist die Tür der
Barmherzigkeit geschlossen?“
Der Grund eines solchen Zustandes liegt stets in der Gemeinde selbst. Die geistliche Finsternis, welche Völker, Gemeinden und einzelne befällt, ist keineswegs einem willkürlichen Entziehen der helfenden göttlichen Gnade seitens des Herrn, sondern einer Vernachlässigung oder Verwerfung des göttlichen Lichtes seitens der Menschen zuzuschreiben. Ein schlagendes Beispiel dieser Wahrheit bietet uns die Geschichte der Juden zur Zeit Christi. Dadurch daß sie sich der Welt hingaben und Gott und sein Wort vergaßen, waren ihre Sinne verfinstert und ihre Herzen irdisch und sinnlich geworden; sie waren in Unwissenheit über das Kommen des Messias und verwarfen in ihrem Stolz und Unglauben den Erlöser. Gott entzog auch dann noch nicht der jüdischen Nation die Erkenntnis oder einen Anteil an den Segnungen des Heils; aber alle, welche die Wahrheit verwarfen, verloren jegliches Verlangen nach der Gabe des Himmels. Sie hatten „aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis“ gemacht, bis das Licht, das in ihnen war, zur Finsternis wurde; und wie groß war die Finsternis!
Es
entspricht den Zwecken Satans, den Schein der Religion zu bewahren, wenn nur der
Geist der lebendigen Gottseligkeit fehlt. Nach ihrer Verwerfung des Evangeliums
fuhren die Juden eifrigst fort, ihre gebräuchlichen Zeremonien zu beobachten;
sie bewahrten streng ihre nationale Abgeschlossenheit, während sie sich selbst
zugestehen mußten, daß die Gegenwart Gottes sich nicht länger in ihrer Mitte
offenbarte. Die Weissagung Daniels wies so unverkennbar auf die Zeit der Ankunft
des Messias und sagte seinen Tod so deutlich voraus, daß sie dessen Studium
umgingen, und schließlich sprachen die Rabbiner einen Fluch über alle aus,
welche eine Berechnung der Zeit unternehmen wollten. Achtzehnhundert Jahre lang
hatte das Volk Israel in Blindheit und Unbußfertigkeit dagestanden, gleichgültig
gegen die gnadenreichen Anerbietungen des Heils, rücksichtslos gegen die
Segnungen des Evangeliums - eine feierliche und schreckliche Warnung vor der
Gefahr, das Licht vom Himmel zu verwerfen.
Die nämliche Ursache hat auch dieselbe Wirkung. Wer absichtlich sein
Pflichtgefühl unterdrückt, weil es seinen Neigungen entgegen ist, wird schließlich
das Vermögen verlieren, zwischen Wahrheit und Irrtum zu unterscheiden; der
Verstand wird verfinstert, das Gewissen verhärtet, das Herz verstockt und die
Seele von Gott getrennt. Wo die Botschaft der göttlichen Wahrheit geringgeschätzt
und verachtet wird, da wird die Gemeinde in Finsternis gehüllt; der Glaube und
die Liebe erkalten, und Entfremdung und Spaltung treten ein.
Gemeindeglieder vereinigen ihre Bestrebungen und Kräfte zu weltlichen
Unternehmungen, und Sünder werden in ihrer Unbußfertigkeit verhärtet.
Die erste Engelsbotschaft von Offenbarung 14, weiche die Zeit des Gerichtes
Gottes anzeigt und jedermann auffordert, ihn anzubeten, war dazu bestimmt, das
wahre Volk Gottes von den verderblichen Einflüssen der Welt zu trennen und es
zu erwecken, um seinen wahren Zustand der Weltlichkeit und der Abtrünnigkeit zu
erkennen. In dieser
Botschaft hatte Gott der Kirche eine Warnung gesandt, die, falls sie angenommen
worden wäre, den Übelständen abgeholfen hätte, welche die Menschen von ihm
trennten. Hätten sie die Botschaft vom Himmel angenommen, ihre Herzen vor dem
Herrn gedemütigt und aufrichtig die Vorbereitung gesucht, in seiner Gegenwart
bestehen zu können, so wäre der Geist und die Macht, Gottes unter ihnen
offenbart worden. Die Gemeinde würde abermals den glücklichen Zustand der
Einheit, des Glaubens und der Liebe erreicht haben, welcher in den apostolischen
Zeiten bestand, als alle Gläubigen „ein Herz und eine Seele“ waren und
„das Wort Gottes mit Freudigkeit“ redeten, als der Herr hinzutat „täglich,
die da selig wurden, zu der Gemeinde.“ (Apg. 4, 32. 3 1; 2, 47.)
Nähmen
die bekenntlichen Christen das Licht an, wie es aus dem Worte Gottes auf sie
scheint, so würden sie jene Einigkeit erreichen, um welche der Heiland für sie
bittet und welche der Apostel beschreibt als „die Einigkeit im Geist, durch
das Band des Friedens.“ Da ist, sagt er, „ein Leib und ein Geist, wie ihr
auch berufen seid auf einerlei Hoffnung eurer Berufung; ein Herr, ein Glaube,
eine Taufe.“ (Eph. 4, 3-5 .)
Derart
waren die gesegneten Folgen für die, welche die Adventbotschaft annahmen. Sie
kamen aus verschiedenen religiösen Gemeinschaften, aber die trennenden
Schranken wurden niedergerissen, sich widersprechende Glaubensbekenntnisse
wurden vernichtet, die schriftwidrige Hoffnung eines Tausendjährigen
Friedensreiches auf Erden wurde aufgegeben, falsche Ansichten von dem zweiten
Kommen Christi wurden berichtigt, Stolz und Gleichstellung mit der Welt
beseitigt, Unrecht wurde wiedergutgemacht, Herzen wurden in inniger Gemeinschaft
vereint, und Liebe und Freude herrschten. Vollbrachte die Lehre dies für die
wenigen, welche sie annahmen, so hätte sie gleiches für alle getan, falls alle
sie angenommen hätten.
Aber
die Kirchen im allgemeinen nahmen die Warnung nicht an. Ihre Prediger, die als Wächter
im Hause Israels die ersten hätten sein sollen, die Anzeichen von der
Wiederkunft Christi zu erkennen, hatten die Wahrheit weder aus den Zeugnissen
der Propheten noch an den Zeichen der Zeit gelernt. Da weltliche Hoffnungen und
Ehrgeiz ihr Herz erfüllten, waren die Liebe zu Gott und der Glaube an sein Wort
erkaltet, und als die Adventlehre gebracht wurde, erweckte sie bei ihnen nur
Vorurteile und Unglauben. Die Tatsache,
daß die Botschaft größtenteils von Laien verkündigt wurde, führte man als
einen Beweis gegen sie an. Wie vor alters wurde dem deutlichen Zeugnis des
Wortes Gottes die Frage entgegengebracht: „Glaubt auch irgendein Oberster oder
Pharisäer an ihn?“ Und da sie fanden, daß es eine schwierige Aufgabe war,
die aus den prophetischen Zeitperioden gezogenen Beweise zu widerlegen, rieten
viele von dem Studium der Weissagungen ab und lehrten, die prophetischen Bücher
seien versiegelt und sollten nicht verstanden werden. Viele einfältig ihren
Seelenhirten vertrauend, weigerten sich, der Warnung Gehör zu schenken, und
andere, obgleich von der Wahrheit überzeugt, wagten es nicht, sie zu bekennen,
auf „daß sie nicht in den Bann getan würden.“ Die von Gott zur Prüfung
und Läuterung der Kirche gesandte Botschaft offenbarte nur zu deutlich, wie groß
die Zahl derer war, die ihr Herz dieser Welt, anstatt Christo zugewandt hatten.
Die Bande, welche sie mit der Erde verknüpften, waren stärker als die, welche
sie himmelwärts zogen. Sie gehorchten der Stimme weltlicher Weisheit und
wandten sich von der herzergründenden Botschaft der Wahrheit ab.
Indem sie die Warnung des ersten Engels zurückwiesen, verwarfen sie auch das Mittel, welches der Himmel für ihre Genesung vorgesehen hatte. Sie verachteten den gnadenreichen Boten, der den Übelständen, die sie von Gott trennten, hätte abhelfen können, und kehrten sich mit größerer Zuneigung der Freundschaft der Welt zu. Hier lag die Ursache jenes fürchterlichen Zustandes der Verweltlichung, der Abtrünnigkeit und des geistlichen Todes, wie er in den Kirchen im Jahre 1844 vorherrschte.
In Offenbarung 14 folgt dem ersten Engel ein zweiter, mit dem Ruf: „Sie
ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon, die große Stadt; denn sie hat mit dem
Wein ihrer Hurerei getränkt alle Heiden.“ (Offb. 14, 8.) Der Ausdruck Babylon ist von Babel abgeleitet und bedeutet
Verwirrung. Er wird in der Heiligen Schrift angewandt, um die verschiedenen
Formen falscher oder abgefallener Religion zu bezeichnen. In Offenbarung 17 wird
Babylon als ein Weib dargestellt, ein Bild, dessen sich die Bibel als Symbol
einer Gemeinde bedient, und zwar versinnbildet ein tugendhaftes Weib eine reine
Gemeinde und ein gefallenes Weib eine abtrünnige Kirche.
In der Bibel wird der heilige und bleibende Charakter des zwischen Christo
und seiner Gemeinde bestehenden Verhältnisses durch den Ehebund dargestellt.
Der Herr hat seine Gemeinde durch einen
feierlichen Bund mit sich vereint,
seinerseits durch die Verheißung, ihr Gott zu sein, und ihrerseits durch die
Verpflichtung, und ihm allein angehören zu wollen. Er sagt: „Ich will
mich mit dir verloben in Ewigkeit; ich will mich mit dir vertrauen in
Gerechtigkeit und Gericht, in Gnade und Barmherzigkeit.“ Und abermals: „Ich
will euch mir vertrauen.“ (Hos. 2, 21. 19; Jer. 3, 14.) Und Paulus bedient
sich derselben Redefigur im Neuen Testament, wenn er sagt: „Ich habe euch
vertraut einem Manne, daß ich eine reine Jungfrau Christo zubrächte.“ (2.
Kor. 11, 2.)
Die
Untreue der Gemeinde gegen Christum, indem sie ihr Vertrauen und ihre Liebe von
dem Herrn abwandte und die Weltliebe von ihrer Seele Besitz nehmen ließ, wird
mit dem Bruch des Ehegelübdes verglichen. Israels Sünde, die Trennung von dem
Herrn wird unter diesem Bilde vorgeführt, und Gottes wunderbare Liebe, welche
es auf diese Weise verachtete, wird rührend geschildert: „Ich gelobte dir’s
und begab mich mit dir in einen Bund, spricht der Herr, Herr, daß du solltest
mein sein.“ „Und warst überaus schön und bekamst das Königreich. Und dein
Ruhm erscholl unter die Heiden deiner Schöne halben, welche ganz vollkommen war
durch den Schmuck, so ich an dich gehängt hatte. ... Aber du verließest dich
auf deine Schöne; und weil du so gerühmt warst, triebst du Hurerei.“ „Das
Haus Israel achtete mich nicht, gleichwie ein Weib ihren Buhlen nicht mehr
achtet, spricht der Herr.“ Wie die „Ehebrecherin, die anstatt ihres Mannes
andere zuläßt!“ (Hes. 16, 8. 13-15; Jer. 3, 20; Hes. 16, 32.)
Im
neuen Testament werden ganz ähnliche Worte an bekenntliche Christen gerichtet,
welche die Freundschaft der Welt vor der Gunst Gottes suchen. Der Apostel
Jakobus sagt: „Ihr Ehebrecher und Ehebrecherinnen, wisset ihr nicht, daß der
Welt Freundschaft Gottes Feindschaft ist? Wer der Welt Freund sein will, der
wird Gottes Feind sein.“ (Jak. 4, 4.)
Babylon, das Weib von der Offenbarung 17, wird uns geschildert als „bekleidet
mit Purpur und Scharlach und übergoldet mit Gold und edlen Steinen und Perlen
und hatte einen goldenen Becher in der Hand, voll Greuels und Unsauberkeit ihrer
Hurerei, und an ihrer Stirn geschrieben einen Namen, ein Geheimnis: Die große
Babylon, die Mutter der Hurerei.“ Der Prophet sagt: „Und ich sah das Weib
trunken von dem Blut der Heiligen und von dem Blut der Zeugen Jesu.“ (Offb.
17, 4-6.) Von Babylon wird ferner gesagt: „Die große Stadt, die das Reich hat
über die Könige auf Erden.“ (Offb. 17, 18.) Die Macht, welche so viele
Jahrhunderte lang unumschränkt über die Fürsten der Christenheit herrschte,
ist Rom. Purpur und
Scharlach, Gold, Edelstein und Perlen schildern lebhaft die Pracht und das mehr
als königliche Gepränge, welches der anmaßende römische Stuhl zur Schau trägt.
Von keiner andern Macht konnte man so sehr mit Recht sagen, sie war „trunken
von dem Blut der Heiligen“, als von jener Kirche, welche die Nachfolger
Christi auf so grausame Weise verfolgt hat. Babylon wird ebenfalls der Sünde
der gesetzwidrigen Verbindung mit „den Königen auf Erden“ angeklagt. Durch
das Abweichen vom Herrn und die Verbindung mit den Heiden wurde die jüdische
Gemeinde zu einer Hure; und Rom, das auf gleiche Weise verderbt ward, indem es
die Unterstützung der weltlichen Mächte suchte, empfängt das nämliche Urteil.
Babylon wird „die Mutter der Hurerei“ genannt. Unter den Töchtern müssen
Kirchen versinnbildet sein, welche ihre Lehren und Überlieferungen festhalten
und ihrem Beispiel folgen, indem sie die Wahrheit und das Wohlwollen Gottes
darangeben, um eine gesetzwidrige Verbindung mit der Welt zu schließen. Die
Botschaft von Offenbarung 14, welche den Fall Babylons verkündigt, muß auf
religiöse Gemeinschaften Anwendung haben, die einst rein waren, aber verderbt
geworden sind. Da diese Botschaft der Warnung vor dem Gericht folgt, so muß sie
in den letzten Tagen verkündigt werden, und kann deshalb nicht allein auf die römische
Kirche Bezug haben, denn diese war schon seit vielen Jahrhunderten in einem
gefallenen Zustand. Ferner wird im 18. Kapitel der Offenbarung das Volk Gottes aufgefordert,
aus Babylon herauszukommen; demzufolge müssen noch viele vom Volke Gottes in
Babylon sein. In welchen religiösen Gemeinschaften wird aber jetzt der größere
Teil der Nachfolger Christi gefunden? Unzweifelhaft in den verschiedenen
Gemeinschaften, welche den protestantischen Glauben bekennen. Zur Zeit ihres
Aufkommens nahmen diese Gemeinschaften eine edle Stellung Gott und seiner
Wahrheit gegenüber ein, und Gottes Segen war mit ihnen. Selbst die ungläubige
Welt mußte die wohltätigen Folgen, welche der Annahme der Evangeliumsgrundsätze
folgten, anerkennen, wie der Prophet zu Israel sagte: „Dein Ruhm erscholl
unter die Heiden deiner Schöne halben, welche ganz vollkommen war durch den
Schmuck, so ich an dich gehängt hatte, spricht der Herr, Herr.“ (Hes. 16, 14.
15.) Aber diese Gemeinschaften fielen durch die gleichen Gelüste, welche Israel
zum Fluch und zum Verderben gereichten - das Verlangen, den Sitten der Gottlosen
nachzuahmen und ihre Freundschaft zu erwerben. „Du verließest dich auf deine
Schöne, und weil du so gerühmt warst, triebst du Hurerei.“ (Hes. 16, 14.
15.)
Viele
der protestantischen Kirchen folgen Roms Beispiel der ungesetzlichen Verbindung
mit „den Königen der Erde“ - die Staatskirchen durch ihre Beziehung zu den
weltlichen Regierungen und andere Gemeinschaften dadurch, daß sie die Gunst der
Welt suchen. Der Ausdruck Babylon (Verwirrung) mag mit Recht auf diese
Gemeinschaften angewandt werden, da alle bekennen, ihre Lehren der Bibel zu
entnehmen, und doch in fast unzählige Sekten zersplittert sind mit weit
voneinander abweichenden Glaubensbekenntnissen und Theorien.
Außer
einer sündhaften Verbindung mit der Welt weisen die Gemeinden, welche sich von
Rom getrennt haben, noch andere ihrer Merkmale auf.
Ein
römisch-katholisches Werk behauptet: „Falls die römische Kirche sich in der
Verehrung der Heiligen je der Abgötterei schuldig machte, so steht ihre Tochter,
die anglikanische Kirche ihr nicht nach; denn sie hat zehn Kirchen, die der
Jungfrau Maria gewidmet sind, gegen eine, die Christo geweiht ist.“ (Dr.
Challoner, Unterweisung des kath. Christen, Vorwort, S. 21. 22.)
Dr.
Hopkins macht in einer Abhandlung über das Tausendjährige Reich folgende
Aussage: „Wir haben keinen Grund, den antichristlichen Geist und seine Gebräuche
auf die sogenannte römische Kirche zu beschränken. Die protestantischen
Kirchen besitzen viel von dem Antichristen und sind weit davon entfernt, frei
von Verderbtheit und Gottlosigkeit zu sein.“ (Hopkins Werke, 2. Bd., S. 328.)
Über die Trennung der presbyterianischen Kirche von Rom schreibt Dr. Guthrie: „Vor 300 Jahren verließ unsere Kirche mit einer offenen Bibel auf ihrer Fahne und dem Wahlspruch: Forscht die Schrift! auf ihrer Urkunde die Tore Roms.“ Dann stellt er die bedeutungsvolle Frage: „Zog sie rein aus Babylon?“ (Guthrie, Evangelium in Hesekiel, S. 23.)
Spurgeon
äußert sich folgendermaßen: „Die anglikanische Kirche scheint ganz und gar
durchsäuert zu sein von der Lehre, daß das Heil in den Sakramenten liege; aber
die, welche von dieser Kirche getrennt sind, sind gleichermaßen von
philosophischem Unglauben durchdrungen. Auch die, von denen wir bessere Dinge
erwartet hätten, wenden sich, einer nach dem anderen, von den Grundpfeilern des
Glaubens ab. Das innerste Herz Englands ist, glaube ich, ganz durchlöchert von
einem verderblichen Unglauben, der es noch wagt, auf die Kanzel zu steigen und
sich christlich zu nennen.“
Was
war der Ursprung des großen Abfalls? Wie ist die Kirche zuerst von der
Einfachheit des Evangeliums abgewichen? - Indem sie sich den Gebräuchen des
Heidentums anpaßte, um den Heiden die Annahme des Christentums zu erleichtern.
Der Apostel Paulus erklärt schon in seinen Tagen: „Es regt sich bereits das
Geheimnis der Bosheit.“ (2. Thess. 2, 7.) Während die Apostel lebten, erhielt
sich die Gemeinde verhältnismäßig rein. Doch
„gegen das Ende des zweiten Jahrhunderts nahmen die meisten Gemeinden eine
andere Gestalt an; die frühere Einfachheit verschwand, und unmerklich, als die
alten Jünger dem Grabe anheimfielen, kamen ihre Kinder und Neubekehrte... und
gestalteten die Sache neu.“ (Robinson, Kirchl. Forschungen, 6. Kap., 17.
Abschn.) Um Anhänger zu gewinnen, nahm man es mit dem erhabenen Richtmaß des,
christlichen Glaubens weniger genau, und infolgedessen brachte „eine
heidnische Flut, welche in die Kirche hinein strömte, ihre Gewohnheiten, Gebräuche
und Götzen mit sich.“ (Gavazzi, Vorträge, S. 278.) Da die christliche
Religion sich die Gunst und die Unterstützung weltlicher Herrscher sicherte,
wurde sie dem Namen nach von Scharen angenommen; doch wenn auch wohl dem Schein
nach Christen, „blieben viele in Wirklichkeit Heiden und beteten besonders im
geheimen ihre Götzen an.“ (Gavazzi, Vorträge, S. 278.)
Wiederholt sich aber nicht derselbe Vorgang in beinahe jeder Kirche, die sich protestantisch nennt? Mit dem Dahinscheiden ihrer Gründer, die von dem wahren Geist der Reform beseelt waren, treten ihre Nachkommen in den Vordergrund und gestalten die Sache neu. Während die Kinder der Reformatoren sich urteilslos zu den Glaubenssätzen ihre Väter halten und sich weigern, eine Wahrheit anzunehmen, die über den Gesichtskreis der Reformatoren hinausgeht, weichen sie von ihrem Beispiel der Demut, der Selbstverleugnung und der Weltentsagung weit ab. So „verschwindet die erste Einfalt.“ Eine weltliche Flut „mit ihren Gewohnheiten, Gebräuchen und Götzen“ überschwemmt die Kirche.
Ach,
wie sehr wird jene Freundschaft der Welt, welche „Feindschaft wider Gott“
ist, jetzt unter den bekenntlichen Nachfolgern Christi gehegt! Wie weit sind die
volkstümlichen Kirchen im ganzen Christentum von dem biblischen Maßstab der
Demut, der Selbstverleugnung, der Einfachheit und der Gottseligkeit abgewichen!
John Wesley sagte, da er von dem richtigen Gebrauch des Geldes redete: „Verschwendet
keinen Teil einer so köstlichen Gabe in bloßer Befriedigung der Augenlust
durch überflüssige oder kostspielige Kleidung oder unnötigen Putz.
Verschwendet keinen Teil desselben in künstlicher Ausschmückung eurer Häuser,
in überflüssigen oder teuren Einrichtungen, in kostbaren Bildern, Gemälden,
Vergoldungen. ... Gebt nichts aus, um hoffärtigem Leben zu frönen, um die
Bewunderung oder das Lob der Menschen zu gewinnen. ... Solange es dir wohl geht,
wird man Gutes von dir reden. Solange du dich kleidest mit Purpur und köstlicher
Leinwand und alle Tage herrlich und in Freuden lebst, werden ohne Zweifel viele
deinen feinen Geschmack, deine Freigebigkeit und Gastfreundschaft loben. Erkaufe
aber ihren Beifall nicht so teuer; begnüge dich lieber mit der Ehre, welche von
Gott kommt.“ (Wesleys Werke, 50. Predigt.) In vielen Kirchen jedoch werden
heutzutage solche Lehren verachtet.
Es ist in der Welt üblich, irgendeinem Religionsbekenntnis anzugehören. Herrscher, Politiker, Juristen, Doktoren, Kaufleute treten der Kirche bei, um sich die Achtung und das Vertrauen der Gesellschaft zu erwerben und ihre eigenen weltlichen Angelegenheiten zu fördern. Auf diese Weise suchen sie ihre ungerechten Handlungen unter einem christlichen Bekenntnis zu verbergen. Die verschiedenen religiösen Gemeinschaften, verstärkt durch den Reichtum und den Einfluß dieser getauften Weltmenschen, bieten noch mehr auf, Volkstümlichkeit und Gönnerschaft zu gewinnen. Herrliche Kirchen, die auf die verschwenderischste Weise ausgeschmückt sind, werden an vornehmen Straßen errichtet. Die Kirchgänger kleiden sich kostbar und nach der Mode. Man zahlt einem reich begabten Prediger ein hohes Gehalt, um das Volk zu unterhalten und anzuziehen. Seine Predigten dürfen die volkstümlichen Sünden nicht rügen, sondern müssen dem feinen Ohr weich und gefällig gen. Auf diese Weise werden vornehme Sünder in die Kirchenbücher eingetragen und vornehme Sünden unter dem Vorwand der Gottseligkeit verdeckt.
Eine
leitende, weltliche Zeitung, die sich über die gegenwärtige Stellung der
bekenntlichen amerikanischen Christen der Welt gegenüber ausspricht, sagt: „Unbewußt
hat sich die Kirche dem Geist des Zeitalters ergeben und ihre Formen des
Gottesdienstes den modernen Bedürfnissen angepaßt.“ „In der Tat verwendet
die Kirche nun alles, was hilft, die Religion anziehend zu machen, als ihr
Werkzeug.“ Ein Schreiber spricht in dem New Yorker „Independent“
folgendermaßen von dem Methodismus, wie er ist: „Die Trennungslinie zwischen
den Gottseligen und den Gottlosen verblaßt zu einem Halbschatten, und auf
beiden Seiten bemühen sich eifrige Männer, alle Unterschiede zwischen ihren
Handlungsweisen und Vergnügungen zu verwischen. Die Volkstümlichkeit der
Religion trägt ungeheuer viel dazu bei, die Zahl derer zu vermehren, die sich
ihre Segnungen verschaffen möchten ohne redlich ihren Pflichten nachzukommen.“
Howard
Crosby sagt: „Es ist eine sehr ernste Sache, daß Christi Kirche so wenig den
Absichten des Herrn nachkommt. Gleichwie die Juden vor alters durch ein
freundschaftliches Verhältnis mit Götzendienern ihre Herzen von Gott abwandten,...
so verläßt die heutige Kirche Christi durch ihr verkehrtes Verhältnis mit der
ungläubigen Welt die göttlichen Richtlinien ihres wahren Lebens und gibt sich
den verderblichen, wenngleich oft scheinbar richtigen Gewohnheiten einer
unchristlichen Gesellschaft hin und benutzt Beweisführungen und kommt zu Schlüssen,
die den Offenbarungen Gottes fremd und dem Wachstum in der Gnade zuwider sind.“
(Der gesunde Christ, S. 141. 142.) In
dieser Flut von Weltlichkeit und Vergnügungssucht gehen Selbstverleugnung und
Selbstaufopferung um Christi willen beinahe gänzlich verloren. „Manche Männer
und Frauen, die jetzt in unseren Kirchen ein tätiges Leben führen, wurden als
Kinder dazu angehalten, Opfer zu bringen, damit sie imstande wären, für
Christum etwas zu geben oder zu tun.“ Doch „falls es nun an Mitteln fehlt,...
darf niemand aufgefordert werden, etwas zu geben. 0 nein, haltet einen Basar ab,
veranstaltet eine Darstellung lebender Bilder, ein Scheinverhör, ein altertümliches
Abendessen oder eine Mahlzeit - irgendwas, um das Volk zu belustigen.“
Gouverneur Washburn von Wisconsin erklärte in seiner Jahresbotschaft vom 9.
Jan. 1873: „Es scheinen Gesetze notwendig zu werden, um die
Erziehungsanstalten der Spieler zu vernichten. Man findet solche überall.
Selbst die Kirche (unwissentlich ohne Zweifel) läßt sich oft dabei ertappen,
daß sie des Teufels Werk ausführt. Konzerte
mit Geschenken, Prämienunternehmungen, Verlosungen, oft um religiösen und
Wohltätigkeitszwecken, häufig aber auch weit geringeren Absichten zu dienen,
werden veranstaltet; Lotterien, Preispakete usw. erfüllen den Zweck, Geld zu
erlangen, ohne den Wert dafür zu geben. Nichts ist so entsittlichend, so
berauschend, besonders für die Jugend, als das Erlangen von Geld oder Gut, ohne
dafür zu arbeiten. Wenn achtbare Personen sich mit derartigen Glücksunternehmungen
befassen und ihr Gewissen damit beruhigen, daß das Geld für einen guten Zweck
angewandt werde, dann kann man sich nicht wundern, wenn die Jugend so oft in
solche Gewohnheiten verfällt, die durch die Erregung der Glücksspiele so
leicht hervorgerufen werden.“
Der
Geist, sich der Welt anzupassen, durchdringt alle Kirchen des ganzen
Christentums. Robert Atkins malte in einer in London gehaltenen Predigt ein
dunkles Bild von dem geistlichen Verfall, der in England herrscht. Er sagte:
„Die wahrhaft Gerechten vermindern sich auf Erden, und niemand nimmt es zu
Herzen. Die heutigen Bekenner der Religion in jeder Kirche lieben die Welt,
passen sich ihr an, trachten nach persönlicher Bequemlichkeit und streben nach
Ansehen. Sie sind berufen, mit Christo zu leiden, aber sie schrecken schon vor
einem Schmähwort zurück. ... Abfall, Abfall, Abfall! steht vorn an jeder
Kirche geschrieben, und wüßten sie es und könnten sie es fühlen, so wäre
noch Hoffnung da; Doch Ach! Sie rufen: ’Wir sind reich und haben gar satt und
bedürfen nichts. ’“ (Traktat Nr. 39, über das zweite Kommen.)
Die große, Babylon zur Last gelegte Sünde ist, daß sie „mit dem Wein ihrer Hurerei getränkt hat alle Heiden.“ Dieser betäubende Becher, den sie der Welt anbietet, stellt die falschen Lehren dar, welche sie als Folge ihrer ungesetzlichen Verbindung mit den Großen der Erde angenommen hat. Freundschaft mit der Welt verdirbt ihren Glauben und übt ihrerseits einen verderblichen Einfluß auf die Welt aus, indem sie Lehren verbreitet, welche den deutlichsten Aussagen der Heiligen Schrift zuwiderlaufen.
Rom
vorenthielt dem Volk die Bibel und verlangte von jedermann, daß man seine
Lehren an deren Statt annehme. Es war die Aufgabe der Reformation, der
Menschheit das Wort Gottes wiederzugeben; und doch, ist es nicht nur zu wahr, daß
in den Kirchen unserer Zeit die Menschen gelehrt werden, ihren Glauben viel mehr
auf die Glaubensbekenntnisse und die Satzungen ihrer Kirche zu gründen als auf
die Heilige Schrift? Charles Beecher sagte von den protestantischen Kirchen: „Sie
schrecken zurück vor irgendeinem rauhen Wort gegen die Glaubensbekenntnisse mit
derselben Empfindlichkeit, mit welcher jene heiligen Väter sich entsetzt haben
würden über irgendein hartes Wort gegen die aufkommende Verehrung der Heiligen
und Märtyrer, welcher sie zugetan waren. ... Die protestantisch-evangelischen
Gemeinschaften haben sich gegenseitig und sich selbst derartig die Hände
gebunden, daß unter ihnen allen niemand Prediger werden kann, ohne ein oder das
andere Buch außer der Bibel anzunehmen. ... Es
ist keine Einbildung, wenn man sagt, daß die Macht der Glaubensbekenntnisse anfängt,
die Bibel ebenso wirklich zu verbieten, wie Rom dies tat, wiewohl auf eine
listigere Weise.“ (Predigt über die Bibel als genügendes
Glaubensbekenntnis, 1846.)
Wenn
treue Lehrer das Wort Gottes auslegen, dann erheben sich Männer von
Gelehrsamkeit, Prediger, die behaupten, die Schrift zu verstehen, rügen gesunde
Lehren als Ketzerei und wenden auf diese Weise die nach Wahrheit Suchenden ab. Wäre
die Welt nicht hoffnungslos trunken von dem Wein Babylons, so würden sehr viele
überzeugt und bekehrt werden durch die deutlichen, durchdringenden Wahrheiten
des Wortes Gottes. Aber der christliche Glaube erscheint so verwirrt und
widersprechend, daß das Volk nicht weiß, was als Wahrheit zu glauben ist. Die
Schuld der Unbußfertigkeit der Welt liegt auf der Kirche.
Die zweite Engelsbotschaft von Offenbarung 14 wurde zum erstenmal im Sommer
1844 gepredigt und hatte
damals eine besonders direkte Anwendung auf die Kirchen in den Ver. Staaten, wo
die Warnung des Gerichtes am weitesten verkündigt und am allgemeinsten
verworfen worden war, und wo der Verfall in den Kirchen am schnellsten um sich
gegriffen hatte. Aber die Botschaft des
zweiten Engels erreichte ihre vollständige Erfüllung nicht im Jahre 1844.
Damals erlitten die Kirchen, weil sie sich weigerten, das Licht der
Adventbotschaft anzunehmen, einen sittlichen Fall, der jedoch nicht vollständig
war. Da sie fortgefahren haben, die besonderen Wahrheiten für diese Zeit zu
verwerfen, sind sie immer tiefer gefallen; jedoch läßt sich noch nicht sagen:
„Babylon ist gefallen; ... denn sie hat mit dem Wein ihrer Hurerei getränkt
alle Heiden.“ Sie hat noch nicht alle Heiden oder Völker dahin gebracht, dies
zu tun. Der Geist der Verweltlichung und der Gleichgültigkeit gegen die prüfenden
Wahrheiten für unsere Zeit besteht und hat in den Kirchen des protestantischen
Glaubens in allen Ländern der Christenheit Boden gewonnen; und diese Kirchen
schließt die feierliche und schreckliche Beschuldigung des zweiten Engels mit
ein. Aber das Werk des Abfalls hat seinen Höhepunkt noch nicht erreicht.
Die
Bibel sagt uns, daß vor der Wiederkunft des Herrn der Satan wirken wird „mit
allerlei lügenhaften Kräften und Zeichen und Wundern und mit allerlei Verführung
zur Ungerechtigkeit,“ und die, welche „die Liebe zur Wahrheit nicht haben
angenommen, auf daß sie selig würden“, werden kräftige Irrtümer empfangen,
„daß sie glauben der Lüge.“ (2. Thess. 2, 9-11.) Nicht
ehe dieser Zustand erreicht und die Vereinigung der Kirche mit der Welt über
die ganze Christenheit hin völlig hergestellt sein wird, wird der Fall Babylons
vollständig sein. Die Veränderung schreitet voran, und die vollkommene Erfüllung
von Offb. 14, 8 ist noch zukünftig.
Trotz
der geistlichen Finsternis und der Trennung von Gott, welche in den Kirchen, die
Babylon ausmachen, bestehen, findet sich die Mehrzahl der wahren Nachfolger
Christi noch immer in ihrer Gemeinschaft. Es gibt viele unter diesen, welche
noch nie die besonderen Wahrheiten für diese Zeit gehört haben. Nicht wenige
sind unzufrieden mit ihrem gegenwärtigen Zustand und sehnen sich nach hellerem
Licht. Sie schauen sich in den Kirchen, mit denen sie in Verbindung stehen,
vergebens nach dem Ebenbild Christi um. Indem diese Gemeinden weiter und weiter
von der Wahrheit abweichen und sich immer enger mit der Welt verbinden, wird
sich der Unterschied zwischen beiden Klassen erweitern und schließlich zu einer
Trennung führen. Die Zeit wird kommen, da die, welche Gott über alles lieben,
nicht länger in Verbindung bleiben können mit denen, die „mehr lieben
Wollust denn Gott, die da haben den Schein eines gottseligen Wesens, aber seine
Kraft verleugnen.“ (2. Tim. 2, 12.)
Offenbarung 18 verweist auf die Zeit, da die Kirche infolge der Verwerfung der dreifachen Warnung von Offb. 14, 6-12 völlig den Zustand erreicht haben wird, der durch den zweiten Engel vorhergesagt ist, und das Volk Gottes, das sich noch immer in Babylon befindet, aufgefordert werden wird, sich von seiner Gemeinschaft zu trennen. Diese Botschaft ist die letzte, welche der Welt je gegeben werden wird, und sie wird ihr Werk ausführen. Wenn die Seelen, welche der Wahrheit nicht glaubten, sondern Lust hatten an der Ungerechtigkeit, (2. Thess. 2, 12) kräftigen Irrtümern preisgegeben werden, daß sie der Lüge glauben, dann wird das Licht der Wahrheit auf alle strahlen, deren Herzen offen stehen, es zu empfangen, und alle Kinder Gottes, welche in Babylon verweilen, werden dem Ruf: „Gehet aus von ihr, mein Volk!“ Folge leisten. (Offb. 18, 4.)