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Manche Menschen wurden
verfolgt, weil sie anders dachten - und diese Verfolgungen waren zeitweise so
schrecklich wie die schlimmsten Stürme.
Hier lesen Sie die
Geschichte eines Sturmes, warum und wie er kam - die Geschichte von Menschen,
die ihn überlebten und anderen, die darin starben.
Als
Christus seinen Jüngern das Schicksal Jerusalems und die Ereignisse seines
zweiten Kommens enthüllte, sprach er auch von den zukünftigen Erfahrungen
seines Volkes von der Zeit an, da er von ihnen genommen werden sollte, bis er
sie bei seiner Wiederkunft in Macht und Herrlichkeit befreien würde. Vom Ölberg
aus sah der Heiland die bald über die apostolische Gemeinde hereinbrechenden Stürme,
und weiter in die Zukunft dringend, erblickte sein Auge die grimmigen, verwüstenden
Wetter, die sich in den kommenden Zeiten der Finsternis und der Verfolgung über
seine Nachfolger entladen würden. In wenigen, kurzen Äußerungen furchtbarer
Bedeutsamkeit sagte er ihnen im voraus, welches Maß die Herrscher dieser Welt
der Gemeinde Gottes zumessen würden (Matth. 24, 9. 21. 22.) Die Nachfolger
Christi müßten denselben Pfad der Demütigung, der Schmach und des Leidens
betreten, den ihr Meister gegangen war. Die Feindschaft, die sich gegen den Erlöser
der Welt Bahn brach, würde gegen alle, die an seinen Namen glauben, offenbar
werden.
Die
Geschichte der ersten Christengemeinde bezeugt die Erfüllung der Worte Jesu.
Die Mächte der Erde und der Hölle vereinigten sich gegen Christum in seinen
Nachfolgern. Wohl sah das Heidentum voraus, daß seine Tempel und Altäre
niedergerissen werden würden, falls das Evangelium triumphierte; deshalb bot es
alle Kräfte auf, um das Christentum zu vernichten. Die Feuer der Verfolgung
wurden angezündet, Christen wurden ihrer Besitztümer beraubt und aus ihren
Heimstätten vertrieben. Sie erduldeten „einen großen Kampf des Leidens“ (Hebr.
10, 32). Sie „haben Spott und Geißeln erlitten, dazu Bande und Gefängnis“
(Hebr. 11, 36). Eine große Anzahl besiegelte ihr Zeugnis mit ihrem Blut;
Edelmann und Sklave, reich und arm, Gelehrte und Unwissende wurden ohne
Unterschied erbarmungslos umgebracht.
Diese Verfolgungen, welche unter Nero, ungefähr zur Zeit des Märtyrertums
Pauli begannen, dauerten mit größerer oder geringerer Heftigkeit
jahrhundertelang fort.
Christen wurden fälschlich der abscheulichsten Verbrechen angeklagt und als die
Ursache großer Unglücksfälle, wie Hungersnot, Pestilenz und Erdbeben,
hingestellt. Da sie zum Gegenstand des allgemeinen Hasses und Verdachts wurden,
fanden sich auch leicht Ankläger, die um des Gewinnes willen Unschuldige
verrieten. Sie wurden als Empörer gegen das Reich, als Feinde der Religion und
als Schädlinge der Gesellschaft verurteilt. Viele wurden wilden Tieren
vorgeworfen oder lebendig in den Amphitheatern verbrannt. Etliche wurden
gekreuzigt, andere mit den Fellen wilder Tiere bedeckt in die Arena geworfen, um
von Hunden zerrissen zu werden. Die ihnen gewärtige Strafe bildete oft den
Hauptgegenstand der Unterhaltung bei öffentlichen Festen. Große Mengen
versammelten sich, um sich des Anblicks zu erfreuen, und begrüßten ihre
Todesschmerzen mit Gelächter und Beifallsklatschen.
Wo
die Nachfolger Christi auch Zuflucht fanden, immer wurden sie gleich Raubtieren
aufgejagt. Sie waren genötigt, sich an öden und verlassenen Stätten zu
verbergen. „Mit Mangel, mit Trübsal, mit Ungemach (deren die Welt nicht wert
war), sind“ sie „im Elend gegangen in den Wüsten, auf den Bergen und in den
Klüften und Löchern der Erde.“ (Hebr. 11, 37-38.) Die Katakomben boten
Tausenden eine Zufluchtsstätte. Unter den Hügeln außerhalb der Stadt Rom
waren lange, durch Erde und Felsen getriebene Gänge, deren dunkles,
verschlungenes Netzwerk sich meilenweit über die Stadtmauern hinaus erstreckte.
In diesen unterirdischen Bergungsorten bestatteten die Nachfolger Christi ihre
Toten, und hier fanden sie auch, wenn sie verdächtigt und geächtet wurden,
eine Zufluchtsstätte. Wenn der Lebensspender diejenigen, welche den guten Kampf
gekämpft haben, auferwecken wird, werden viele, die um Christi Sache willen Märtyrer
geworden sind, aus jenen düsteren Höhlen hervorkommen.
Unter der heftigsten Verfolgung hielten diese Zeugen für Jesum ihren Glauben unbefleckt. Obwohl jeder Bequemlichkeit beraubt, abgeschlossen vom Lichte der Sonne, im dunkeln aber freundlichen Schoße der Erde ihre Wohnung aufschlagend, äußerten sie keine Klage. Mit Worten des Glaubens, der Geduld und der Hoffnung ermutigten sie einander, Entbehrungen und Trübsal zu erdulden. Der Verlust aller irdischen Segnungen vermochte sie nicht zu zwingen, ihrem Glauben an Christum zu entsagen. Prüfungen und Verfolgungen waren nur Stufen, auf denen sie ihrer Ruhe und Belohnung näher kamen.
Viele
wurden gleich den Dienern Gottes vor alters „zerschlagen und haben keine Erlösung
angenommen, auf daß sie die Auferstehung, die besser ist, erlangten.“ (Hebr.
11, 35.) Sie riefen sich die Worte ihres Meisters ins Gedächtnis zurück, daß
sie bei Verfolgungen um Christi willen fröhlich und getrost sein sollten, denn
groß würde ihre Belohnung im Himmel sein; auch die Propheten vor ihnen waren
also verfolgt worden. Sie freuten sich, würdig erachtet zu werden, für die
Wahrheit zu leiden, und Siegeslieder stiegen mitten aus den prasselnden Flammen
empor. Im Glauben aufwärts schauend erblickten sie Christum und heilige Engel,
die, über die Brüstung des Himmels lehnend, sie mit innigster Teilnahme
beobachteten und wohlgefällig ihre Standhaftigkeit betrachteten. Eine Stimme
kam vom Throne Gottes zu ihnen hernieder: „Sei getreu bis an den Tod, so will
ich dir die Krone des Lebens geben.“ (Offb. 2, 10.)
Vergeblich waren Satans Anstrengungen, die Gemeinde Christi mit Gewalt zu
zerstören. Der große Kampf, in dem Christi Jünger ihr Leben hingaben, hörte
nicht auf, als diese getreuen Bannerträger auf ihrem Posten fielen. Durch ihre
Niederlage siegten sie. Gottes Arbeiter wurden erschlagen; sein Werk aber ging
beständig vorwärts. Das Evangelium breitete sich aus, die Zahl seiner Anhänger
nahm zu; es drang in Gebiete ein, die selbst für die Adler Roms unzugänglich
waren. Ein Christ, der
mit den heidnischen Herrschern verhandelte, welche die Verfolgung eifrig
betrieben, sagte: „Tötet uns, quält uns, verurteilt uns; ... eure
Ungerechtigkeit ist der Beweis für unsere Unschuld! Auch nützt ausgesuchtere
Grausamkeit von eurer Seite noch nicht einmal etwas; sie ist eher ein
Verbreitungsmittel unserer Genossenschaft. Wir werden jedesmal zahlreicher, so
oft wir von euch niedergemäht werden; das Blut der Christen ist ein Same.“ (Tertullians
Apologetikus, Kap. 50.)
Tausende
wurden eingekerkert und umgebracht; aber andere standen auf, um diese Lücken
auszufüllen. Die, welche um ihres Glaubens willen den Märtyrertod erlitten,
waren Christo gesichert und wurden von ihm als Überwinder erachtet. Sie hatten
den guten Kampf gekämpft und sollten die Krone der Herrlichkeit empfangen, wenn
Christus wiederkommen würde. Die Leiden, welche die Christen erduldeten,
verbanden sie inniger miteinander und mit ihrem Erlöser. Ihr Beispiel im Leben,
ihr Bekenntnis im Sterben waren ein beständiges Zeugnis für die Wahrheit; und
wo es am wenigsten zu erwarten war, verließen Untertanen Satans seinen Dienst
und stellten sich unter das Banner Christi.
Satan plante, erfolgreicher gegen die Regierung Gottes Krieg zu führen, indem er sein Banner in der christlichen Gemeinde aufpflanzte. Könnten die Nachfolger Christi getäuscht und verleitet werden, Gott zu mißfallen, dann würde ihre Kraft, Festigkeit und Beharrlichkeit dahin sein und sie ihm als Beute leicht zufallen.
Der große Gegner suchte nun durch Hinterlist das zu erreichen, was er sich
mit Gewalt nicht hatte sichern können. Die Verfolgungen hörten auf, an ihre
Stelle traten die gefährlichen Lockungen irdischen Wohllebens und weltlicher
Ehre. Götzendiener wurden veranlaßt, einen Teil des christlichen Glaubens
anzunehmen, wogegen sie andere wesentliche Wahrheiten verwarfen.
Sie gaben vor, Jesum als den Sohn Gottes anzuerkennen und an seinen Tod und
seine Auferstehung zu glauben; aber sie hatten keine Erkenntnis ihrer Sünden
und fühlten kein Bedürfnis der Reue oder einer Veränderung des Herzens.
Selbst zu einigen Zugeständnissen bereit, schlugen sie den Christen vor,
ebenfalls Einräumungen zu machen, um alle in dem Glaubensbekenntnis an Christum
zu vereinigen.
Nun befand sich die Gemeinde in einer furchtbaren Gefahr, mit welcher Gefängnis,
Folter, Feuer und Schwert verglichen, als Segnungen dastanden. Einige Christen
standen fest und erklärten, daß sie auf keinerlei Übereinkommen eingehen könnten.
Andere stimmten für ein Entgegenkommen oder die Abschwächung einiger ihrer
Glaubensregeln und verbanden sich mit denen, die das Christentum teilweise
angenommen hatten, indem sie geltend machten, es möchte jenen zur vollständigen
Bekehrung dienen. Dies war für die treuen Nachfolger Christi eine Zeit großer Angst. Unter
dem Deckmantel eines scheinbaren Christentums wußte Satan sich in die Gemeinde
einzuschleichen, um ihren Glauben zu verfälschen und die Gemüter vom Worte der
Wahrheit abzulenken.
Der größte Teil der Christen war bereit, von ihrer erhöhten Stufe
hinabzusteigen, und eine Vereinigung zwischen dem Christentum und dem Heidentum
kam zustande. Obwohl die
Götzendiener vorgaben, bekehrt zu sein, und sich der Gemeinde anschlossen,
hielten sie doch noch am Götzendienste fest und verwandelten nur den Gegenstand
ihrer Anbetung. Ungesunde Lehren, abergläubische Gebräuche und abgöttische
Zeremonien wurden ihrem Glauben und ihrem Gottesdienste einverleibt. Als die
Nachfolger Christi sich mit den Götzendienern verbanden, wurde die christliche
Gemeinde verderbt, und ihre Reinheit und Kraft gingen verloren. Immerhin gab es
etliche, die durch diese Täuschungen nicht irregeleitet wurden, die dem Fürsten
der Wahrheit ihre Treue bewahrten und Gott allein anbeteten.
Unter den bekenntlichen Nachfolgern Christi hat es jederzeit zwei Klassen
gegeben. Während die eine das Leben des Heilandes erforscht und sich ernstlich
bemüht, jeglichen Fehler an sich zu verbessern und ihrem Vorbilde ähnlich zu
werden, scheut die andere die klaren, praktischen Wahrheiten, die ihre Irrtümer
bloßstellen. Selbst in
ihrem besten Zustand bestand die Gemeinde nicht nur aus wahren, reinen und
aufrichtigen Seelen. Unser Heiland lehrte, daß die, welche sich willig der Sünde
hingeben, nicht in die Gemeinde aufgenommen werden sollen; dennoch verband er Männer
von fehlerhaftem Charakter mit sich und gewährte ihnen die Vorteile seiner
Lehren und seines Beispiels, damit sie Gelegenheit hätten, ihre Fehler zu sehen
und zu verbessern. Unter den zwölf Aposteln war ein Verräter. Judas wurde
nicht um seiner Charakterfehler willen, sondern ungeachtet derselben aufgenommen.
Er wurde den Jüngern zugezählt, damit er durch die Unterweisungen und das
Beispiel Christi lerne, worin ein christlicher Charakter besteht, und auf diese
Weise seine Fehler erkennen, Buße tun und mit Hilfe der göttlichen Gnade seine
Seele reinigen mochte „im Gehorsam der Wahrheit.“ Aber Judas wandelte nicht
in dem Licht, das ihm so gnädig schien; er gab der Sünde nach und forderte
dadurch die Versuchungen Satans heraus. Seine bösen Charakterzüge gewannen die
Oberhand. Er ließ sich von den Mächten der Finsternis leiten, wurde zornig,
wenn seine Fehler getadelt wurden, und gelangte auf diese Weise dahin, das
furchtbare Verbrechen des Verrats an seinem Meister zu begehen. So
hassen alle, die unter einem Bekenntnis von Gottseligkeit das Böse lieben,
diejenigen, welche ihren Frieden stören und dadurch ihre sündhafte Laufbahn
verurteilen. Bietet sich ihnen eine günstige Gelegenheit, so werden sie, wie
auch Judas tat, diejenigen verraten, welche versucht haben, sie zu ihrem Besten
zurechtzuweisen.
Die Apostel trafen Glieder in der Gemeinde, welche vorgaben, fromm zu sein, während sie im geheimen der Sünde huldigten. Ananias und Saphira waren Betrüger, denn sie behaupteten, Gott ein vollständiges Opfer darzubringen, wenn sie habsüchtigerweise einen Teil davon für sich zurückhielten. Der Geist der Wahrheit offenbarte den Aposteln den wirklichen Charakter dieser Scheinheiligen, und Gottes Gericht befreite die Gemeinde von diesem Flecken, der ihre Reinheit beschmutzte. Dieser offenbare Beweis, daß der scharfsichtige Geist Christi in der Gemeinde war, wurde ein Schrecken für die Heuchler und Übeltäter, die nicht lange in Verbindung mit jenen bleiben konnten, die der Handlung und Gesinnung nach beständig Stellvertreter Christi waren; und als Prüfungen und Verfolgungen über seine Nachfolger hereinbrachen, wünschten nur die seine Jünger zu werden, die bereit waren, alles um der Wahrheit willen zu verlassen. Somit blieb die Gemeinde, solange die Verfolgung dauerte, verhältnismäßig rein. Als sie aber aufhörte und Neubekehrte, welche weniger aufrichtig und ergeben waren, hinzugetan wurden, öffnete sich der Weg für Satan, in der Gemeinde Fuß zu fassen.
Es
gibt aber keine Gemeinschaft zwischen dem Fürsten des Lichts und dem Fürsten
der Finsternis, mithin auch keine Vereinbarung unter ihren Nachfolgern. Als die
Christen einwilligten, sich mit Seelen zu verbinden, die nur halb vom Heidentum
bekehrt waren, betraten sie einen Pfad, der sie weiter und weiter von der
Wahrheit abführte; Satan aber frohlockte, daß es ihm gelungen war, eine so große
Zahl der Nachfolger Christi zu täuschen. Dann übte er seine Macht in einem
noch stärkeren Grade auf die Betrogenen aus und trieb sie an, diejenigen zu
verfolgen, welche Gott treu blieben. Niemand konnte dem wahren Christenglauben
so kräftig widerstehen wie seine ehemaligen Verteidiger; und diese abtrünnigen
Christen im Verein mit ihren halb heidnischen Gefährten zogen gegen die
wesentlichsten Lehren Christi in den Kampf.
Es bedurfte eines verzweifelten Ringens seitens der Getreuen, festzuhalten gegen die Betrügereien und Greuel, die, von priesterlichen Gewändern verhüllt, in die Gemeinde eingeführt wurden. Die Bibel wurde nicht mehr als Richtschnur des Glaubens angenommen. Die Lehre von wahrer Religionsfreiheit wurde als Ketzerei gebrandmarkt, und ihre Verteidiger wurden gehaßt und geächtet.
Nach
langem und schwerem Kampfe entschlossen sich die wenigen Getreuen, jede
Gemeinschaft mit der abtrünnigen Kirche aufzuheben, falls diese sich beharrlich
weigere, dem Irrtum und dem Götzendienst zu entsagen. Sie erkannten, daß
Trennung eine unbedingte Notwendigkeit war, wenn sie selbst dem Worte Gottes
gehorchen wollten. Sie wagten weder Irrtümer zu dulden, die für ihre eigenen
Seelen gefährlich waren, noch ein Vorbild zu lassen, das den Glauben ihrer
Kinder und Kindeskinder gefährden würde. Um
Frieden und Einheit zu wahren, standen sie bereit, irgendwelche mit ihrer
Gottestreue vereinbarte Zugeständnisse zu machen; sie fühlten aber, daß
selbst der Friede unter Aufopferung ihrer Grundsätze zu teuer erkauft sei.
Konnte Einigkeit nur dadurch gesichert werden, daß Wahrheit und
Rechtschaffenheit aufs Spiel gesetzt würden, dann mochte lieber Spaltung, ja
selbst Krieg kommen.
Es
würde für die Gemeinde und die Welt gut sein, wenn die Grundsätze, welche
jene standhaften Seelen zum Handeln bewogen, im Herzen des bekenntlichen Volkes
Gottes wiederbelebt würden. Es herrscht eine beunruhigende Gleichgültigkeit
bezüglich der Lehren, welche die Pfeiler des christlichen Glaubens sind. Die
Meinung gewinnt die Oberhand, daß sie nicht von großer Wichtigkeit sind. Diese
Entartung stärkt die Hände der Vertreter Satans so sehr, daß jene falschen
Lehrbegriffe und verhängnisvollen Täuschungen, in deren Bekämpfung und Bloßstellung
die Getreuen in vergangenen Zeiten ihr Leben wagten, jetzt von Tausenden
vorgeblicher Nachfolger Christi günstig betrachtet werden.
Die ersten Christen waren in der Tat ein besonderes Volk. Ihr tadelloses Betragen und ihr unwandelbarer Glaube war ein beständiger Vorwurf, der die Ruhe der Sünder störte. Obwohl gering an Zahl, ohne Reichtümer, Stellung oder Ehrentitel, waren sie überall, wo ihr Charakter und ihre Lehren bekannt wurden, den Übeltätern ein Schrecken. Deshalb wurden sie von den Gottlosen gehaßt, wie ehemals Abel von dem bösen Kain verabscheut wurde. Derselbe Beweggrund, der Kain zu Abels Mörder machte, veranlaßte die, welche sich vom hemmenden Einfluß des Geistes Gottes zu befreien suchten, Gottes Kinder zu töten. Aus dem nämlichen Grunde verwarfen und kreuzigten die Juden den Heiland; denn die Reinheit und Heiligkeit seines Charakters war ein beständiger Vorwurf gegen ihre Selbstsucht und Verderbtheit. Von den Tagen Christi an bis jetzt haben seine getreuen Jünger den Haß und, den Widerspruch derer erweckt, welche die Wege der Sünde lieben und ihnen nachgehen.
Wie
kann denn aber das Evangelium eine Botschaft des Friedens genannt werden? Als
Jesaja die Geburt des Messias vorhersagte, gab er ihm den Titel „Friedefürst“.
Als die Engel den Hirten verkündigten, daß Christus geboren sei, sangen sie über
den Ebenen Bethlehems: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und
den Menschen ein Wohlgefallen.“ (Luk. 2,14.) Es scheint ein Widerspruch zu
bestehen zwischen diesen prophetischen Aussagen und den Worten Christi: „Ich
bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert,“ (Matth. 10,34.)
aber richtig verstanden sind beide Aussprüche in vollkommener Übereinstimmung.
Das Evangelium ist eine Botschaft des Friedens. Das Christentum verbreitet, wenn
es angenommen wird, Friede, Eintracht und Glückseligkeit über die ganze Erde.
Die Religion Christi verbindet alle, die ihre Lehren annehmen, in inniger Brüderschaft
miteinander. Es war Jesu Werk, die Menschen mit Gott und somit auch miteinander
zu versöhnen. Aber die Welt im großen
und ganzen befindet sich unter der Herrschaft Satans, des bittersten Feindes
Christi. Das Evangelium zeigt ihr die Grundsätze des Lebens, welche vollständig
im Widerspruch mit ihren Sitten und Wünschen stehen, und gegen die sie sich empört.
Sie haßt die Reinheit, welche ihre Sünden offenbart und verurteilt, und sie
verfolgt und vernichtet alle, die ihr jene gerechten und heiligen Ansprüche
vorhalten. In diesem Sinne - weil die erhabenen Wahrheiten, die das Evangelium
bringt, Haß und Streit veranlassen -wird es ein Schwert genannt.
Das
geheimnisvolle Wirken der Vorsehung, welche zuläßt, daß der Gerechte von der
Hand des Gottlosen Verfolgung erleidet, ist für viele, die schwach im Glauben
sind, eine Ursache großer Verlegenheiten geworden. Einige sind sogar bereit,
ihr Vertrauen auf Gott wegzuwerfen, weil er es zuläßt, daß es den niederträchtigsten
Menschen wohlergeht und die besten und reinsten von ihrer grausamen Macht bedrängt
und gequält werden. Wie, fragt man, kann ein Gerechter und Barmherziger, der
unendlich in seiner Macht ist, solche Ungerechtigkeit und Unterdrückung dulden?
Mit einer solchen Frage haben wir nichts zu tun. Gott hat uns genügende Beweise
seiner Liebe gegeben, und wir sollen nicht an seiner Güte zweifeln, weil wir
das Wirken seiner Vorsehung nicht zu ergründen vermögen. Der Heiland sagte zu
seinen Jüngern, da er die Zweifel voraussah, welche in den Tagen der Prüfung
und der Finsternis ihre Seelen bestürmen würden: „Gedenket an mein Wort, das
ich euch gesagt habe: 'Der Knecht ist nicht größer denn sein Herr'. Haben sie
mich verfolgt, sie werden euch auch verfolgen.“ (Joh. 15,20.) Jesus hat mehr
gelitten für uns, als irgendeiner seiner Nachfolger von der Grausamkeit
gottloser Menschen zu leiden haben kann. Wer berufen ist, Qualen und Märtyrertod
durchzumachen, folgt nur in den Fußstapfen des teuren Gottessohnes.
„Der
Herr verzieht nicht die Verheißung.“ (2. Petr. 3,9.) Er vergißt oder
vernachlässigt seine Kinder nicht, aber gestattet den Gottlosen, ihren wahren
Charakter zu offenbaren, auf daß keiner, der wünscht, seinen Willen zu tun, über
sie getäuscht werden möchte. Wiederum läßt
er die Gerechten durch den Feuerofen der Trübsal gehen, damit sie selbst
gereinigt werden, damit ihr Beispiel andere von der Wirklichkeit des Glaubens
und der Gottseligkeit überzeuge und ihr treuer Wandel die Gottlosen und Ungläubigen
verurteile.
Gott läßt es zu, daß die Bösen gedeihen und ihre Feindschaft gegen ihn
bekunden, damit wenn das Maß ihrer Ungerechtigkeit voll ist, alle Menschen in
ihrem vollständigen Untergang seine Gerechtigkeit und Gnade sehen können. Der
Tag seiner Rache eilt, da allen, die sein Gesetz übertreten und sein Volk
unterdrückt haben, die gerechte Vergeltung für ihre Taten zuteil werden wird;
da jede grausame und ungerechte Handlung gegen die Getreuen Gottes bestraft
werden wird, als ob sie Christo selbst angetan worden sei.
Es gibt eine andere und wichtigere Frage, welche die Aufmerksamkeit der Kirchen unserer Tage in Anspruch nehmen sollte. Der Apostel Paulus erklärt, daß „alle, die gottselig leben wollen in Christo Jesu, müssen Verfolgung leiden.“ (2. Tim. 3,12.) Wie kommt es denn, daß die Verfolgung gewissermaßen zu schlummern scheint? Der einzige Grund ist, daß die Kirchen sich der Welt angepaßt haben und deshalb keinen Widerstand erwecken. Die gegenwärtig volkstümliche Religion hat nicht den reinen und heiligen Charakter, der den christlichen Glauben in den Tagen Christi und seiner Apostel kennzeichnete. Weil man mit der Sünde gemeinsame Sache macht, weil man die großen Wahrheiten des Wortes Gottes so gleichgültig betrachtet, und weil wenig wahre Gottseligkeit in der Gemeinde herrscht, deshalb ist anscheinend das Christentum in der Welt beliebt. Sobald ein Wiederbeleben des Glaubens und der Macht der ersten Christengemeinden stattfindet, wird auch der Geist der Verfolgung abermals erwachen und die Feuer der Trübsal aufs neue schüren.